| Interview der Woche

Till Steinforth: „Ich wusste, dass so eine Punktzahl fallen muss“

© Gladys Chai von der Laage
6.388 Punkte und Bronze: Till Steinforth hat am Wochenende in Apeldoorn mit seinem Sprung aufs Siebenkampf-Treppchen für eine der herausragenden deutschen Leistungen der Hallen-EM gesorgt. Wir haben im Anschluss mit ihm in der Mixed Zone gesprochen und die ersten Reaktionen für Sie eingefangen.
Silke Bernhart

Till Steinforth, herzlichen Glückwunsch: Bronze bei den Hallen-Europameisterschaften hier in Apeldoorn! Wo ordnen Sie diesen Erfolg ein?

Till Steinforth:
Das weiß ich noch gar nicht so genau... Einfach mega. Wie ich jetzt am Ende noch eine 2:36 laufen konnte… Ich bin sprachlos.

Man musste am Ende des 1.000-Meter-Laufs fast hoffen, dass Sie nicht noch stolpern. Da haben Sie wirklich alles aus sich rausgeholt, oder?

Till Steinforth:
Die Beine wollten nicht mehr. Der Kopf tat gar nicht so doll weh, muss ich sagen. Der Kopf war schon halb im Ziel, die Beine waren hintendran. Ich habe einfach nur auf Johannes [Erm] geguckt, dann ist Tim [Nowak] am Ende noch an mir vorbeigelaufen, das hat mir auch noch mal einen Schub gegeben. Ich habe alles gegeben. Die Bahn war mega – mega steil, das hat echt geholfen, in den Kurven konnte man gut weiterlaufen. Das Wichtigste war, dass ich am Anfang direkt nach den ersten 50 bis 100 Metern mit nach vorne gegangen und dann dort geblieben und einfach mitgelaufen bin.

Sie haben sich so ganz nebenbei auch den deutschen Hallenrekord von Leo Neugebauer geholt – war das Ihr Ziel?

Till Steinforth:
Das Ziel war es auf jeden Fall! Ich wusste, wenn ich hier vorne mitspielen will, muss so eine Punktzahl fallen. Daher habe ich auch ein bisschen daran gedacht. Aber ich konzentriere mich immer auf jede Disziplin und gucke immer auf den nächsten Wettbewerb. Dass am Ende der deutsche Rekord mit dabei ist, darüber freue ich mich sehr.

Wie haben Sie diesen Wettbewerb hier erlebt, lief alles wie im Rausch?

Till Steinforth:
Im Mehrkampf ist es immer ein Auf und Ab. Ich glaube, es geht nie ganz geradeaus, es gibt immer Leistungen, die besser sind, die solide sind, die schlechter sind. Daher versuche ich, nicht auf die Punkte oder auf die Konkurrenz zu gucken, sondern auf die Disziplin, die ich gerade mache.

Können Sie aus diesen zwei Tagen ein Highlight ausmachen oder eine Schlüsseldisziplin?

Till Steinforth:
Der Weitsprung war wichtig. Da bin ich in diesem Jahr noch nicht so weit gesprungen. Ich habe auch nicht so viel Weitsprung trainiert und nicht so viele Wettkämpfe gemacht, da das ohnehin schon eine sehr gute Disziplin von mir ist. Die große Weite bin ich daher noch nicht gesprungen. Und das Allerwichtigste waren die 1.000 Meter.

War es nicht eigentlich so gedacht, dass Tim Nowak für Sie Tempo macht?

Till Steinforth:
Ja, das hatten wir uns vorher so überlegt. Ich wusste aber auch, dass es da erstmal ein bisschen Gerangel gibt. Und dann war es Instinkt, nach vorne zu gehen. Ich hatte mir gesagt: Wenn Tim vor mir läuft, ein bisschen Platz macht und gutes Tempo, dann laufe ich da mit. Wenn das nicht geht, dann gucke ich auf Johannes und bleibe in den 25 Metern, vier Sekunden Abstand. Das habe ich die ganze Zeit so durchgezogen, und das hat funktioniert.

Sie wirken sehr reflektiert und gefasst, und das nach einem ersten so großen Erfolg. Wie sieht es innendrin in Ihnen aus?

Till Steinforth:
Ich realisiere das wahrscheinlich erst später. Ich probiere immer, sehr neutral zu bleiben und konzentriert. Früher, als ich jünger war, habe ich das auch mal rausgelassen, wenn es nicht so gut lief, oder besonders gut. Aber das kostet viel Energie. Vor allem im letzten halben Jahr, seit ich bei Olympia war, habe ich gesehen: Leute wie Damian Warner [Olympiasieger 2021] sind extrem entspannt, die ganze Zeit. Und seitdem ich das selbst probiere, spare ich wirklich Energie. Da kann man dann am Ende noch mal mehr rauslassen, über 1.000 Meter oder im Stabhochsprung.

Haben Sie sich dafür eine konkrete Strategie erarbeitet?

Till Steinforth:
Man übt das eigentlich im Training jeden Tag. Da klappt mal was, und sehr oft klappt auch etwas nicht. Dann ruhig zu bleiben, sich zu konzentrieren, vielleicht im nächsten Versuch etwas weniger zu geben und sich auf die Technik zu fokussieren – das übt man jeden Tag. Irgendwann geht das dann in die Normalität über.

Ihre Eltern sind auch hier in Apeldoorn, sicher werden Sie sie gleich als erstes in die Arme schließen. Welche Rolle spielt für Sie dieser Rückhalt?

Till Steinforth:
Meine Eltern sind meine größten Supporter, sie sind immer dabei und machen alles für mich. Das erleichtert mir oft das Leben. Sie sind schon nach Paris mit dem Wohnmobil gefahren und haben mir die Stäbe gebracht, jetzt sind sie wieder hier mit dem Wohnmobil, haben aus Leverkusen die Stäbe geholt. Sie sind immer für mich da und helfen, wo es geht. Es ist wichtig, das im Hinterkopf zu wissen – dann geht man vielleicht noch mal das extra Risiko ein, das dann auch den extra Erfolg bringen kann.

Blicken wir noch kurz voraus: Was bedeutet diese Leistung für den Zehnkampf in der Freiluft-Saison?

Till Steinforth:
Die Form ist da. Und dann werden wir sehen, was dabei rauskommt. Wieder von Disziplin zu Disziplin gehen, alles geben und dann schauen, was dabei rauskommt.

Sie studieren zurzeit in den USA. Wie geht es in dieser Richtung für Sie weiter?

Till Steinforth:
Im Mai mache ich meinen Bachelor in Architektur. Dann folgt noch ein Masterstudium, und später will ich beruflich auf jeden Fall in die Design-Richtung gehen. Ich hoffe, mit der Punktzahl schaffe ich es, dass das alles nahtlos ineinander übergeht mit dem Profisport und den Olympischen Spielen 2028 in Los Angeles.

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