TrueStories

Was wir zu erzählen haben

Jeder Athlet und jede Athletin hat eine Story, die es sich lohnt zu erzählen. Egal ob Profi oder Freizeitsportlerin, alleine oder in der Familie. #TrueAthletes geben jedes Training und jeden Wettkampf ihr Bestes, ohne dabei ihre zentrale Wert aus den Augen zu verlieren. Einige der Geschichten erfahrt ihr hier von den Athletinnen und Athleten selbst:

Unsere Stories

SCC Berlin, 28 Jahre, Langstreckenläufer
Deutscher Rekordhalter im Marathon und Halbmarathon

"Ich bin in Eritrea geboren. Als ich zwei Jahre alt war, ist meine Mutter mit mir nach Äthiopien geflüchtet. Ich hatte in Afrika einen langen Fußweg zur Schule, habe an Schulwettkämpfen teilgenommen und viel Fußball gespielt. Als ich mit 16 nach Deutschland kam, spielte ich zu Beginn auch Fußball, aber die Trainer waren nicht zufrieden. Sie meinten, ich sei nur viel gelaufen, aber habe gar nicht gespielt (lacht). Dann habe ich mit dem Laufen angefangen, um abseits der Flüchtlingsunterkunft auch mal alleine zu sein. Ich wollte Kontakte knüpfen, die Kultur kennenlernen und die deutsche Sprache lernen.

Durch den Sport habe ich viele Freunde gefunden und eine Familie, die mich unterstützt und mir meinen Weg aufgezeigt hat. Das hat mich von ganz unten nach ganz oben gebracht. Ich bin sehr stolz auf das, was ich erreicht habe. Und dankbar. Mein Motto lautet: 'Stark sein bedeutet, nach dem Fallen immer wieder aufstehen.' Man kann auch erfolgreich sein, wenn man gar nichts hat. Es gibt keinen Grund aufzugeben. Jeder Mensch hat eine Schwierigkeit, einen Nachteil. Manchmal ist man enttäuscht oder verletzt – aber man muss daran denken, dass es morgen wieder anders sein kann. Man darf heute nicht für morgen aufgeben.

Kraft ziehe ich daraus, dass ich keine andere Möglichkeit als den Sport habe. Deswegen arbeite ich Tag und Nacht. Ich versuche sehr diszipliniert zu sein und verzichte auf Dinge, um Leistung zu bringen. Das Laufen spielt für mich eine riesengroße Rolle. Wenn man 200 Kilometer pro Woche läuft, braucht man zwischen dem Training etwas, das den Körper glücklich macht und Spaß bringt. Ich genieße die Zeit mit Musik, Freunden und Kaffee. Das gibt uns wieder viel Energie. Im Trainingslager in Kenia hat mich meine Schwester Amu für zwei Tage besucht – länger ging nicht, ich bin ja nicht zum Urlaub da. Das war sehr emotional, ich habe sie lange nicht gesehen. Mein Läufer-Herz schlägt für Äthiopien und Deutschland."

Königsteiner LV, 28 Jahre, Weitspringerin
Olympia-Teilnehmerin 2021, WM-Neunte 2022

"Die Chancen für ein Comeback standen 2017 fast bei null. Die Ärzte meinten nach der OP, dass ich beim Gehen vielleicht humpeln werde. Ich war am Boden zerstört, total traurig, enttäuscht, sauer und hatte Angst, meine Förderer zu verlieren. Ich konnte mir die Verletzung nicht mal selber vorwerfen. Ein falsch eingestelltes Trainingsgerät hat mein Sprungbein überstreckt und mein Knie komplett zerstört. Das vordere Kreuzband war gerissen, das hintere Kreuzband hatte einen Teilriss, das Außenband, die Popliteussehne und die Biceps Femoris-Sehne waren gerissen, die Kapsel gesprengt und der Knorpel beschädigt.

Das einzige, was ich machen konnte, war die Situation akzeptieren und nach vorne schauen. Was muss ich machen, um wieder zurückzukommen – um noch stärker zurückzukommen? Mit dem Leistungssport aufhören war keine Option für mich. Der Reha-Prozess war schwer und anstrengend. Da musste ich sehr geduldig sein. Manchmal hatte ich das Gefühl, ich stecke in einer Phase fest. In schweren Zeiten dachte ich, ich habe keine Lust mehr, es dauert zu lange und man zweifelt, ob es noch Fortschritte gibt.

Ich habe mir dann immer gesagt, Maryse, du musst weiter arbeiten und daran glauben, dann wird das schon wieder – irgendwie. Mein Freund, mein Trainer, meine Trainingsgruppe und meine Familie haben mir natürlich alle geholfen. Auch die Bundeswehr, der DLV, der Landesverband, mein Verein und mein Sponsor haben mir den Rücken gestärkt. Ich habe es geschafft, mich nach zwei Jahren zurück zu kämpfen. Nach den Militär-Weltspielen 2019 sind viele zu mir gekommen und haben mir gestanden, sie hatten es nicht für möglich gehalten, dass ich wieder so springen kann. Es war echt ein kleines Wunder, was passiert ist.

Vier Titanschrauben verbleiben in meinem Knie. Weil ich das Bein nicht ganz beugen kann, muss ich anders landen, aber ich kann voll trainieren und träume von Olympia. Die Verletzung hat mich mental stärker und ehrgeiziger gemacht. Ich bin viel dankbarer geworden, für das, was ich habe. Dankbar dafür, dass ich überhaupt normal gehen kann und dankbar, dass ich meinen Sport wieder machen kann, den ich so sehr liebe. Ich komme aus ärmlichen Verhältnissen und weiß nicht, wo ich ohne den Sport wäre. Der Weitsprung und die Leichtathletik bedeuten mir alles. Dadurch konnte ich ein neues Leben beginnen, in dem ich jetzt sehr glücklich bin."

TV Wattenscheid 01, 46 Jahre, Sprinter
2x EM-Silber und 2x EM-Bronze (4x100 m), viermaliger Olympiateilnehmer, sechsmaliger WM-Teilnehmer, Deutscher Masters-Rekordhalter 100 & 200 Meter (M35, M40, M45)

"Zeiten waren mir immer völlig egal. Normen – völlig nebensächlich. Olympia, ja, da wollte ich einmal hin, aber als ich das dann geschafft hatte, hat auch das mich nicht mehr angespornt. Mein Antrieb war immer die Bewegung an sich. Der Rausch der Geschwindigkeit, die ich mit meinem eigenen Körper erzeuge. Die Liebe zum puren Sprint. Egal wo. Egal gegen wen. Nur ich und die Bahn. Alles andere kam dadurch so nebenbei.

Vielleicht habe ich auch deshalb nie aufgehört mit dem Leistungssport. Vielleicht ist das der Grund, warum ich so erfolgreich war. Und vielleicht auch, warum ich das bis heute bin. Natürlich komme ich nicht mehr an meine Bestzeit von 10,14 Sekunden heran. Das stresst mich auch überhaupt nicht. Dass mein Körper das bis heute mitmacht und dass ich inzwischen auch in der Para-Leichtathletik zuhause bin und dort als Guide meine Leidenschaft weiter leben kann, das empfinde ich als großes Glück.

Und auch als Bestätigung, dass ich einiges richtig gemacht habe in meiner Karriere, denn Leistungssportler war ich nie nur auf dem Platz, sondern immer und überall. Im Denken. In der Ernährung. Im Alltag. Wie oft ich bei Olympischen Spielen war? Das müsste ich nachschauen. Es ist nicht wichtig. Wichtig ist, dass ich meiner Liebe, dem Sprint, nachgehen kann. Weil das mein Naturell ist. Weil das ich bin. Athlet. Ein Leben lang."

TV Wattenscheid 01, 32, ehemalige Hürdensprinterin
EM-Silber 2018, WM-Bronze 2017, Hallen-EM-Bronze 2017, viermalige Deutsche Meisterin

"Knappe Sprintkleidung. Ich habe sie gehasst. Seitdem ich ungefähr 16 Jahre alt war, habe ich mich in ihr nie wohl gefühlt, habe mich vor dem Startschuss eher damit beschäftigt, was die anderen Leute jetzt wohl von mir denken, anstatt mich auf mich zu konzentrieren. Ständig habe ich mich mit den anderen Mädchen verglichen, ständig mit Essen beschäftigt und mich so allein mit diesem Problem gefühlt.

Doch dann schlug das Schicksal im Finale der Deutschen Hallenmeisterschaften 2015 zu. Ich war gerade Deutsche Vizemeisterin geworden, hatte die Norm für die Hallen-EM unterboten und: knickte im Ziel um. Die Bänder in beiden Füßen waren gerissen. Die Saison – dahin. Doch was erst wie eine riesige Katastrophe aussah, entpuppte sich als größter Wendepunkt in meinem bisherigen Leben.

Es war die Chance, meinem Körper und auch Kopf endlich etwas Ruhe zu gönnen und mich intensiv auf die Suche nach meinem Wohlfühl-Körper zu machen. Eine lange Suche. Die schlussendlich bei Mark Warnecke, dem ehemaligen Schwimmweltmeister, der zusammen mit Dr. Jörn Heinze eine Praxis in Witten hat, endete. Der Rat von Dr. Jörn Heinze war schlussendlich simple: Iss weiter so bewusst wie bisher, aber in Maßen und in der Summe nicht mehr als drei Mahlzeiten am Tag. Mir wurde klar: In meinem Gedankenkarussell hatte ich schlicht verlernt, intuitiv auf die Signale meines Körpers zu hören, was er denn nun eigentlich wirklich braucht.

Am Ende brachte ich knapp zehn Kilogramm weniger auf die Waage. Aber viel wichtiger ist der innere Ballast, den ich auf diesem Weg verloren habe. Heute bin ich frei von negativen Gedanken, in denen ich mich vergleiche oder mich unwohl fühle. Und ich weiß auch, dass ich in dieser Phase viel mentale Kraft verloren habe. Viel Kraft und damit Energie, die ich im Training und über den Hürden viel besser hätte gebrauchen können. Dieser Verlust war vielleicht viel entscheidender als die Kilos mehr auf meinen Hüften.

Aber manche Dinge brauchen ihre Zeit. Genau wie eben dieses bewusstes Ja-Sagen zu mir, zu meinem Körper, den ich inzwischen genauso annehme, wie er ist. Und das tut mir gut: Als Sportlerin, aber auch als Frau."