"Ich bin sehr stolz!" Klare, knappe Worte zu einer bemerkenswerten Leistung: Petra Klein hat als erste und bisher einzige Gehörlose erfolgreich die höchste in Deutschland mögliche staatliche Ausbildung für Trainer absolviert. Am Dienstag durfte sie im Rahmen einer Feierstunde in der Trainerakademie Köln ihr Diplomzeugnis in Empfang nehmen. Auch drei ehemalige Top-Leichtathleten schlossen die Ausbildung erfolgreich ab.
Drei harte Jahre liegen hinter den diesjährigen Absolventen der Trainerakademie in Köln, denn das Studium kommt in Bezug auf Dauer, Intensität und wissenschaftlichem Anspruch einem Hochschulstudium gleich und erfolgt noch dazu berufsbegleitend.
Ex-Speerwerfer Mark Frank, der zweimalige WM-Dritte im Speerwurf Boris Obergföll sowie der Dreisprung-Weltmeister von 1999 Charles Friedek - alle mittlerweile in unterschiedlichen Positionen als Trainer im Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) engagiert - zählten zu den stolzen Absolventen. Die beiden Letztgenannten schlossen sogar mit Auszeichnung ab. Eine ihrer Kommilitoninnen: die gehörlose Petra Klein.
Traum vom hauptamtlichen Trainerberuf
Petra Klein hatte es ungleich schwerer als ihre Mitstudenten. Jetzt kann sie konstatieren: Der Aufwand hat sich gelohnt. Nach ihrer erfolgreichen Laufbahn im Spitzensport - in der sie mit der 4x100 Meter-Staffel und über 400 Meter zahlreiche internationale Medaillen holte - ist die ehemalige Sprinterin seit 13 Jahren Nationaltrainerin der Leichtathleten des Deutschen Gehörlosen-Sportverbands (DGS). Im Studium hat sie unter anderem gelernt, die Zusammenhänge von Trainingsplanung und der damit verbundenen Prozesse besser zu verstehen und über den Tellerrand ihrer eigenen Sportart hinaus zu blicken.
Dieses neu gewonnene Wissen verbindet sie mit der Hoffnung, es auch beruflich anwenden zu können: „Mein Traum ist, zukünftig an einem noch zu errichtenden Stützpunkt im Bereich der Förderung gehörloser Sportler eingesetzt zu werden“, sagt sie. Außerdem würde Petra Klein gerne in der Ausbildung gehörloser Trainer arbeiten, die nicht zuletzt aufgrund ihrer Kommunikations-Behinderung immer noch große Schwierigkeiten haben, Trainerlizenzen zu erwerben.
Studium ohne Dolmetscher
Dass die mit dem Schlagwort „Inklusion“ verbundenen Themen wie „Barrierefreiheit“ und „Chancengleichheit“ noch längst nicht in allen Bereichen unserer Gesellschaft angekommen sind, musste auch Petra Klein erfahren. Für die Übernahme der Kosten für den für sie als Gehörlose zwingend notwendigen Dolmetscher-Einsatz fühlte sich keine der von ihr angeschriebenen Institutionen zuständig.
In dieser Situation erfuhr Petra Klein sehr große Unterstützung durch die Trainerakademie Köln. Deren Direktor Prof. Dr. Lutz Nordmann und Kursleiter Frank Wieneke, Judo-Olympiasieger von 1984, bestärkten sie darin, auch ohne Kostenzusage für den Dolmetscher-Einsatz ihr Studium anzutreten.
Vielfältige Hilfe
Viele weitere Personen standen Petra Klein mit ihrer Hilfe zur Seite. In den Seminarwochen der Grundlagen-Ausbildung stellte ihr der Gehörlosen-Sportverband NRW seine Mitarbeiterin Conny Szypula als Schriftdolmetscherin zur Verfügung. Bei der sportartspezifischen Leichtathletik-Ausbildung in Mainz wandte der Leiter der DLV-Akademie Dr. Wolfgang Killing zahlreiche Extra-Stunden dafür auf, der gehörlosen Studentin die Inhalte verständlich zu machen. Kommilitone und Speerwurf-Bundestrainer der Männer Boris Obergföll protokollierte für Petra Klein mit. Die heutige DGS-Sportkoordinatorin Susanne Wiedemann sprang immer dann ein, wenn Hilfe nötig war.
Der Zusammenhalt von Lehrgangsleitung, Kommilitonen und eigenem Verband war für Petra Klein notwendig, um das Studium zu bestehen. Von ihr selbst war während der zeitintensiven und anspruchsvollen Ausbildung ein hohes Maß an Disziplin, Ehrgeiz und Durchhaltevermögen gefordert. Um den Aufwand zu bewältigen, trat Petra Klein beruflich kürzer und reduzierte ihre Wochenarbeitszeit als Vermessungstechnikerin bei der Stadt Solingen auf 25 Wochenstunden.
"Nichts geschenkt"
Lehrgangsleiter Frank Wieneke betonte, dass man Petra „nichts geschenkt“ habe. Sie sei eine enorm engagierte Studentin gewesen, deren Leistungen auch im Vergleich zu ihren hörenden Kommilitonen sehr gut gewesen seien. Die Trainerakademie sei überdies auch zukünftig bereit, die Trainerausbildung Gehörloser zu unterstützen.
Mit Petra Klein hat der Deutsche Gehörlosen-Sportverband nun eine gehörlose Diplomtrainerin in seinen Reihen, die ihre im Studium erworbenen Kompetenzen zukünftig in ihre Arbeit mit gehörlosen Sportlern einbringen kann. Die Einzige soll sie nicht bleiben. Der DGS hofft, dass zukünftig auch andere geeignete gehörlose Trainer ihrem Vorbild folgen und das Trainerdiplom erwerben.