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Lauf- und Gehtrainer diskutieren bei DLV-Ausdauerkonferenz über Höhentraining

© DLV
Im Mittelpunkt der Ausdauerkonferenz, die der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) mit seiner Akademie gemeinsam mit dem Deutschen Skiverband und dem Deutschen Schwimmverband initiiert hatte, stand am zurückliegenden Wochenende das Thema Höhentraining. Darüber hinaus fand ein Wissens- und Erfahrungsaustausch mit Experten statt.
DLV-Akademie

Ganz im Zeichen des Höhentrainings stand die diesjährige Ausdauerkonferenz der DLV-Akademie in Kooperation mit dem Deutschen Schwimm-Verband und dem Deutschen Skiverband am vergangenen Wochenende in Dortmund. Rainer Knöller, Head of Science im DLV, führte durch das Wochenend-Programm und moderierte die Diskussionen.

„Die Frage, ob wir Höhentraining machen sollten, wenn wir in die Weltspitze wollen, stellt sich gar nicht. Die Frage muss lauten, wie wir es machen“, fasste es Erfolgstrainer Wolfgang Heinig zusammen, der unter anderem die Deutsche Hindernis-Rekordlerin Gesa Felicitas Krause (Silvesterlauf Trier) und WM-Finalistin Olivia Gürth (Diezer TSK Oranien) betreut.

Heinig war einer der insgesamt neun hochkarätigen Referenten vor Ort. Er berichtete unter anderem über die mehrjährige Konzeption von Höhenketten und wie das Höhentraining schrittweise bereits ab der Jugend vorbereitet und eingeführt werden kann. Unterstützt wurde er bei seinem Bericht aus der Praxis von Gesa Krause, die per Videocall zugeschaltet war.

Wissensaustausch mit Ski- und Schwimmverband

Nur per Video dabei sein konnte auch Dr. Alexander Törpel, Bundestrainer Diagnostik beim Deutschen Schwimm-Verband – und zwar aus gutem Grund. Er befand sich zum Zeitpunkt der Konferenz mit einigen der besten deutschen Schwimmer im Höhentrainingslager in der Sierra Nevada. Törpel berichtete den Konferenzbesuchern ausführlich über die Konzeption von Höhentraining bei Schwimmern und ging im zweiten Teil seines Vortrags auch auf das dazugehörige Monitoring ein. 

Ähnlich ging Dr. Axel Schürer, Fachgruppenleiter Skilanglauf beim IAT, vor, der die Besonderheiten im Skilanglauf betonte. Hier ist Höhentraining zum Teil nicht nur wegen der Höheneffekte ein Mittel der Wahl, sondern auch der Notwendigkeit geschuldet, auf Schnee zu trainieren. Schnee finde man zu vielen Jahreszeiten nun, einmal abgesehen von Hallen, nur in Höhenlagen vor. Zudem müssten die Sportler auf Wettkämpfe in der Höhe vorbereitet sein. 

Für interessierte Diskussionen sorgten seine detaillierten Einblicke in verschiedene Monitoring-Maßnahmen, aus denen deutlich wurde, wie die einzelnen Sportarten voneinander lernen können. Ronald Weigel, jüngst als DLV-Trainer des Jahres geehrt, berichtete über den Einsatz von größeren Höhen im Elite-Gehen. Er selbst trainierte sogar auf über 4.000 Metern Höhe.

Building the pyramid: Barry Fudge plädiert für breite Basis

Hauptredner der Veranstaltung war nach einer ausführlichen fachlichen Einführung in das Thema durch Prof. Dr. Ulrich Hartmann aus der DLV-Wissenschaftskommission am ersten Tag der Schotte Barry Fudge. Fudge arbeitet mittlerweile als Trainer und Sportwissenschaftler für die Aspire Academy in Katar, war zuvor aber lange Jahre in für den Lauf bei British Athletics verantwortlich. Er betonte, dass Höhentraining eine wichtige Rolle beim Aufschwung der britischen Mittel- und Langstreckenläuferinnen und -läufer spielte. Dabei sei es jedoch wichtig, dieses in ein größeres Konzept einzubinden. Es habe viele Jahre gebraucht, um Höhentraining nicht nur für einzelne Athleten, sondern für die Gesamtzahl der Athleten effektiv zu machen.

Schlüssel dafür seien Kooperation und Vertrauen. So würden Gruppen unter anderem dadurch betreut, dass sich Trainer abwechseln würden und trainingsgruppenübergreifend trainiert werde. Allgemein sei es Ziel gewesen, sich nicht allein auf die absolute Spitze zu konzentrieren, sondern eine möglichst breite Basis an leistungsstarken Athleten zu bilden. Und jene Athleten zu identifizieren, die durch Unterstützung – zum Beispiel in Form von der organisatorischen Hilfe bei Höhentrainingslagern und der entsprechenden Fortbildung der Heimtrainer – auf die jeweils nächsthöhere Leistungsstufe gelangen können.

Lernen von Top-Athleten

Ganz besonders stark sprach sich Barry Fudge dafür aus, dass Nachwuchs-Athleten in gemeinsamen Trainingslagern mit Top-Athleten lernen müssen. „Hier sehen sie ganz schnell, dass sie noch einen weiten Weg vor sich haben, besonders wenn sie bereits denken, sie seien die Größten“.

Fudge ging zudem auf den scheinbaren Widerspruch ein, dass Athleten, die als Erwachsene bei WM oder Olympia erfolgreich sein wollen, einerseits nicht zu früh zu spezialisiert entwickelt sein sollten, andererseits zahlreiche Topstars auch im Nachwuchsbereich bereits Erfolge gefeiert haben. Seine These dazu: Es sei entscheidend, mit wie viel Aufwand diese frühen Erfolge erzielt wurden. Große Karrieren stünden denen bevor, die mit vergleichsweise geringem Aufwand bereits starke Leistungen erzielen. Und: Spitzenleistungen benötigen jahrelange Vorbereitung.

Vor diesem Hintergrund warb der Schotte dafür, weniger darauf zu schauen, wie gut ein Nachwuchstalent jeweils bereits sein kann, sondern wie gut es minimal sein muss, um noch im Korridor für spätere Spitzenleistungen zu sein.

Einblicke ins Projekt Höhenhaus Herxheim

Das in Herxheim gelegene Höhenhaus stellten Prof. Dr. Dr. Karsten Hollander von der MSH Hamburg und Svenja Nolte von der JLU Gießen vor. Im Rahmen eines Forschungsprojektes leben und trainieren einige DLV-Kaderathleten derzeit mehrere Wochen unter kontrollierten Bedingungen in Herxheim. Angestrebt wird eine Entscheidungshilfe zur Frage, ob ein Athlet in seinem aktuellen Zustand sinnvollerweise in ein Höhentrainingslager gehen sollte oder nicht.

Den Abschluss der Veranstaltung bestritt Prof. Dr. Harald Lange von der Universität Würzburg, der die gesammelten Erkenntnisse unter pädagogischen Aspekten einordnete und die Frage stellte: "Wer geht ins Höhentraining und wer hat Interesse am Spiel mit der Leistungsgrenze?“ Dabei stellte er heraus, dass es sich lohne, als Trainer die Athleten als Mensch und Persönlichkeit zu sehen und auf mehr zu schauen als nur auf Leistungsparameter. In gewisser Weise gehe es häufig darum, Menschen zu bilden und ihnen so zu helfen, dass in ihnen schlummernde Potential aus eigenem Antrieb zu entfalten.

Die Ausdauerkonferenz dient als A-Trainer-Fortbildung im Disziplinblock Lauf/Gehen und führte daher auch die DLV-Bundestrainer sowie den Großteil der Landes- und im Leistungssport aktiven Vereinstrainer des Disziplinblocks zusammen, sodass es auch außerhalb der Vorträge zu reichlich Austausch und Diskussion kam. Insgesamt nahmen rund 150 Trainerinnen und Trainer persönlich und im Livestream teil. Auch die anderen Disziplinblöcke kommen in diesem Herbst zusammen: Vor zwei Wochen veranstaltete die DLV-Akademie bereits die Mehrkampfkonferenz, Mitte November geht es mit der Wurf- sowie der Sprungkonferenz weiter.

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