| Interview der Woche

Usain Bolt: "Muhammad Ali hat auch seinen letzten Kampf verloren"

Platz drei über 100 Meter und das Verletzungs-Aus als Schlussläufer der Staffel: Die WM in London verlief sicher nicht nach dem Geschmack von Usain Bolt (Jamaika). Bei seiner letzten Ehrenrunde am Sonntag wurde er im Olympiastadion dennoch frenetisch von den Fans gefeiert. Anschließend stellte er sich noch einmal den Fragen der Journalisten. Wie es ihm auf seiner Ehrenrunde ergangen ist? Warum er nicht schon nach Rio 2016 Schluss gemacht hat? Und was jetzt kommt? Wir haben für Sie mit geschrieben.
Silke Bernhart

Usain Bolt, wie war gerade die letzte Runde da draußen im Olympiastadion?

Usain Bolt:

Großartig. Die Unterstützung hat sich nicht geändert. Es ist traurig, dass ich jetzt gehe. Aber das Publikum ist einzigartig. Sie schaffen es, dass ich mich zuhause fühle und willkommen. Es war schön, und ich weiß das wirklich zu schätzen.

Wie waren die letzten 24 Stunden für Sie, welche Gefühle haben Sie durchlebt?

Usain Bolt: 

Nach der Verletzung habe ich versucht, so schnell wie möglich nach Hause zu kommen, weil wir die Verletzung behandeln mussten. Ich bin nach Hause, wurde behandelt, bin eine Weile wach geblieben, habe mit ein paar Menschen gesprochen, Nachrichten beantwortet von denen, die sich Sorgen gemacht haben darüber, was passiert war. Habe ein bisschen geschlafen. Wurde wieder behandelt. Habe mich ausgeruht. Bevor wir morgen ein MRT machen, um zu sehen, wie schlimm die Verletzung ist.

Sie sind noch nicht so alt. Würden Sie es in Erwägung ziehen, einen anderen Sport zu betreiben? Cricket? Fußball? Rugby?

Usain Bolt: 

Ich habe immer gesagt, dass ich Fußball spielen will, wie ihr alle wisst. Aber in diesem Moment, mit meinem Beuger, mache ich mir darüber erstmal keine Gedanken.

Im April haben Sie gesagt, Sie möchten abtreten, bevor Sie anfangen zu verlieren. Wie traurig ist es nun für Sie, dass Sie sich mit so viel Pech verabschieden?

Usain Bolt:

Ich denke, dass viele Athleten bei diesen Meisterschaften Pech hatten. Sie zählen wohl zu denen mit den meisten Überraschungen, vielen Schockmomenten. Aber es ist nur eine Meisterschaft. Ich bin wie immer hierhergekommen, um mein Bestes zu geben, um alles auf der Bahn zu zeigen. Es lief nicht nach Plan. Aber alles passiert aus einem Grund, so sehe ich das Leben. Ich weiß nicht, warum es so passiert ist, aber ich habe das Gefühl, es hatte einen Grund.

Bereuen Sie es, 2017 noch mal angetreten zu sein? Sie hätten ohne Weiteres nach den Olympischen Spielen in Rio mit drei Goldmedaillen Schluss machen können…

Usain Bolt:

Nein, das ist okay. Meine Fans wollten mich noch ein Jahr sehen. Ich habe das für meine Fans gemacht. All das, was ich über die Jahre erreicht habe, wäre ohne sie nicht möglich gewesen. Sie haben mir all die Jahre die Energie gegeben weiterzumachen, sie haben mich gepusht, der Beste zu sein, der ich sein kann. Ich bin froh, dass ich ihnen hier noch einmal eine Show zeigen konnte, unabhängig davon, wie sie geendet ist. Ich wollte ihnen das geben, was sie sich gewünscht haben.

Sie haben für die Fans weiter gemacht, Sie haben ihnen hier noch mal eine große Show geboten. Was wird das Erste sein, was Sie für sich selbst machen, nach diesem Abschied?

Usain Bolt:

Ihr kennt mich. Ich will einfach erstmal Spaß haben! Feiern gehen. Raus gehen, was trinken. Ich hatte stressige Meisterschaften. Und morgen will ich Zeit mit meiner Familie verbringen, chillen. Das sind die beiden ersten Dinge auf meiner Liste.

Freuen Sie sich auf das neue Leben, in dem Sie keine Regeln und Pläne mehr verfolgen müssen?

Usain Bolt:

Ja, einfach frei zu sein! Mein ganzes Leben war Leichtathletik. Ich habe Leichtathletik gemacht, seit ich zehn bin. Alles, was ich kenne, ist die Bahn. Für mich ist es aufregend, jetzt einfach mal auszuruhen, Spaß zu haben und zu relaxen. Ja, ich bin glücklich.

Wie möchten Sie, dass die Welt Sie in Erinnerung behält?

Usain Bolt:

Ich denke, eine Meisterschaft ändert nichts daran, was ich erreicht habe. Ich erinnere mich, dass jemand nach der Niederlage über 100 Meter zu mir gesagt hat: Muhammad Ali hat auch seinen letzten Kampf verloren. Stress dich nicht deswegen. Ich habe mich Jahr ein, Jahr aus bewiesen, während meiner gesamten Karriere. Ich denke nicht, dass eine Meisterschaft, ein Rennen oder die Tatsache, dass ich mein letztes Rennen nicht beendet habe, irgendetwas daran ändert, was ich in diesem Sport getan habe.

Was denken Sie lassen Sie zurück, um der Sportart Leichtathletik auch in der Zukunft zu helfen? Was ist Ihr Vermächtnis?

Usain Bolt:

Ich habe gezeigt, dass mit harter Arbeit alles möglich ist. Ich denke nicht in Grenzen. Ich habe heute ein Interview gehabt und es war ein bisschen ironisch. Mein Motto ist es, dass alles möglich ist – und viele haben gedacht, dass ich nie bei einer Meisterschaft geschlagen werden kann. Ich habe das Gefühl, dass es den Kids zeigt, dass man immer alles geben muss, in allem, was man tut. In dieser Situation sitze ich am falschen Ende, aber ich denke dennoch, dass es eine gute Nachricht an die Kinder ist: Arbeite hart, mache weiter, bleibe stark. Das ist ein gutes Vermächtnis, das ich hinterlassen kann.

Was war Ihr beeindruckendstes Rennen, und welches haben Sie am meisten bereut?

Usain Bolt:

Das beeindruckendste war wahrscheinlich das 100-Meter-Finale von Peking 2015. Als ich richtig kämpfen musste um zu gewinnen. Ich denke, das hat viel Charakter gezeigt. Am meisten bereut habe ich sicher den Fehlstart bei der WM 2011.

Werden Sie auch in Zukunft in irgendeiner Form der Leichtathletik verbunden bleiben?

Usain Bolt:

Ich bin mir noch nicht sicher. Aber mein Agent spricht mit Sebastian Coe um herauszufinden, wie ich der Sportart helfen kann. Das ist aufregend für mich, ich freue mich, ein Teil davon zu sein. Ich liebe die Leichtathletik. Sie hat mir alles gegeben, was ich hatte. Für mich ist das eine große Sache. Und mein Trainer möchte, dass ich sein Assistenztrainer werde. Schauen wir mal, wo das hinführt.

Das Thema Doping hat Sie während Ihrer gesamten Karriere begleitet, auch wenn Sie nie direkt damit in Verbindung gebracht wurden. Was würden Sie sich für zukünftige Generationen wünschen, damit sie sich in einem sauberen Sport messen können?

Usain Bolt:

Ich war immer streng, wenn es um Doping ging. Ich habe bereits gesagt, dass ich finde, dass Athleten lebenslang gesperrt werden sollen, wenn sie dopen. Wenn du dir die Mühe machst zu dopen, um ein besserer Athlet zu werden, solltest du eine lebenslange Sperre bekommen. Unser Sport hat viel durchgemacht, wir sind am Tiefpunkt angekommen, im letzten Jahr oder im Jahr davor. Und nun arbeiten wir uns wieder nach oben. Aber wir müssen jetzt sehr streng sein, um dem Sport zu helfen, in einem guten Licht zu stehen. Damit es wieder nur um den Wettkampf geht. Ich habe der Welt bewiesen, dass du es schaffen kannst, dass du groß sein kannst ohne Doping. Hoffentlich können junge Athleten das erkennen. Das würde ich jungen Athleten gerne auch nach meiner Karriere weitergeben.

Als Sie hier Ihre letzte Runde gedreht haben, haben Sie kurz bei den 100 und 200 Metern angehalten. Können Sie erzählen, was Ihnen da durch den Kopf ging?

Usain Bolt:

Ich habe mich von den Fans verabschiedet. Und auch von meinen Disziplinen. Das waren die zwei, die ich über Jahre dominiert habe. Ich habe mich einfach von allem verabschiedet. Ich glaube, ich habe fast geweint. Ich war dicht dran. Aber die Tränen kamen nicht. 

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