| Die Ziele des Olympiasiegers

Thomas Röhler: Berlin, Doha, Tokio – und die Suche nach dem perfekten Speer

Monatelang nur Bälle werfen. Und jetzt das Fine Tuning für die EM-Saison: Olympiasieger Thomas Röhler macht sich in Trainingslagern in Südafrika und Portugal fit für die EM 2018 in Berlin. Doch der Blick des Athleten vom LC Jena geht schon deutlich weiter hinaus. Er will den perfekten Speer für Würfe über 100 Meter finden. Und in Tokio sein Olympia-Gold verteidigen.
Sandra Arm

Thomas Röhler ist eins der Gesichter der Heim-EM in Berlin. Der Speerwurf-Olympiasieger wirbt für das Leichtathletik-Festival, wo er im Sommer den Titel holen möchte. Das Jahr ist noch jung, die Titelkämpfe indes schon mehr als präsent. Die Vorbereitungen laufen. Gerade erst ist der 26-Jährige vom LC Jena aus dem achttägigen Trainingslager im südafrikanischen Potchefstroom zurückgekehrt.

Berlin, Olympiastadion, Weltmeisterschaften 2009: Als 17-Jähriger verfolgt Thomas Röhler (LC Jena) das Speerwurf-Finale. Nicht als Athlet, als Zuschauer auf einem der tausend Plätze im Rund des Stadions. „Ich saß dort, um meine damaligen Vorbilder zu sehen. Der Norweger Andreas Thorkildsen hat damals gewonnen“, erinnert er sich an den besonderen Moment zurück. Der Augenblick bleibt. „Dass ich eines Tages selbst dort unten stehen würde, darüber habe ich in dem Moment nicht wirklich nachgedacht.“

Ziel 2018: EM-Gold in Berlin

Fast neun Jahre später: Thomas Röhler ist kein Zuschauer mehr, er ist Athlet – Speerwerfer. Ein erfolgreicher noch dazu. Aus Vorbildern wurden Gegner. Andreas Thorkildsen bestimmte die Szene in seiner Disziplin über viele Jahre. Zweimaliger Olympiasieger und Europameister, Weltmeister: Der Norweger hat in seiner sportlichen Laufbahn so ziemlich alles erreicht, er beendete sie Mitte 2016  aufgrund von Hüftproblemen. In seinem Rücktrittsjahr gewinnt Thomas Röhler sensationell Gold bei Olympia in Rio.

Der EM-Titel soll in diesem Sommer folgen. Vor heimischer Kulisse in Berlin. „Meine Ambitionen sind immer groß. Das Ziel ist Gold bei der EM zu gewinnen. Man ist Sportler genug, um zu sagen, ich fahre nach Berlin, um zu gewinnen“, macht der Jenenser deutlich. Zugeich weiß er, es wird ein sehr schwerer Kampf. „Speerwurf findet größtenteils in Europa statt. Dementsprechend wird das Niveau sehr, sehr hoch sein. Außerdem ist es kein Geheimnis, dass die innerdeutsche Konkurrenz weltweit die stärkste ist.“ Schon zweimal hat Johannes Vetter (LG Offenburg) den Speer früh in der Saison über die 90-Meter-Marke befördert.

Speerwurf wie "Fahrradfahren"

Berlin 2018: Für Thomas Röhler eine wichtige Zwischenstation auf dem Weg in Richtung Tokio, wo die Olympischen Sommerspiele 2020 stattfinden. Dort will er seinen Titel verteidigen. „Als Olympiasieger bewege ich mich in diesem Vier-Jahres-Rhythmus. Der Olympiasieg, das Gold ist schon etwas Besonderes, das man immer wieder haben will. Dementsprechend ist der Kopf in Berlin, aber auch schon ein Stück weit in Tokio. Auf dem Weg dorthin liegt noch die WM in Doha“, blickt der 90-Meter-Werfer voraus.

Mit Doha verbindet Thomas Röhler nur gute Erinnerungen. Im Vorjahr segelte sein Speer zum Saisoneinstieg auf 93,90 Meter – deutscher Rekord. Dieser sollte nicht lange halten. Johannes Vetter steigerte ihn im Juli auf 94,44 Meter. Die WM in Doha ist Zukunft, Berlin ist Gegenwart. Und dafür werden in den kommenden Wochen die Grundlagen gelegt. So wie jüngst im Trainingslager in Südafrika. Nach fünf Monaten – fast ohne Speer – kam dieser nun wieder zum Einsatz. Ein schönes Gefühl. „Es funktioniert noch ganz gut. Es ist mittlerweile fast wie Fahrradfahren, das man nicht verlernt“, sagt Thomas Röhler leicht schmunzelnd.

"Projekt 100": Neue Speere für neue Weiten

Er ließ aber nicht nur seinen eigenen fliegen. Getestet wurde auch fleißig. Speere – und die in unterschiedlichsten Ausführungen. „Nicht nur der Sportler entwickelt sich technisch weiter, auch die Hersteller wollen moderne Technologien anwenden. Ich arbeite eng mit einem schwedischen Hersteller zusammen. Wir haben uns hingesetzt und gesagt, wir können die Vorteile verschiedener Speere vielleicht kombinieren. Und daraus einen Speer erschaffen, der gewissen Athleten zu gewissen Bedingungen hilft, die Leistung noch mal besser auf die Bahn zu bringen“, erklärt Thomas Röhler.

Auch vor dem Hintergrund des "Projekts 100".  Eines Tages soll auch der neue Speer die magische Marke übertreffen. Auf 104,80 Meter ließ Uwe Hohn den alten Speer 1986 segeln, daraufhin wurde der Schwerpunkt verändert. Der Weltrekord mit dem aktuellen Speer steht bei 98,48 Metern. Im Rahmen der Regularien „versuchen wir neue Materialien einzubauen“.

Auf einmal gibt sich Thomas Röhler geheimnisvoll. „In Bezug auf meine Person wird es Richtung Speer in naher Zukunft etwas Spannendes zu berichten geben. Dieser Test ist eng damit verflochten.“ Mehr verrät er nicht. Noch nicht.

Wintertraining nur mit Bällen

Bei den Tests zeigte sich eins sehr deutlich: Speer ist nicht gleich Speer. Getestet wurden bis zu 20 Geräte in verschiedenen Materialkombinationen, Härteverteilungen, Materialien sowie Altbewährtes, versteckt unter einer anderen Farbe, um das psychologische Element rauszufiltern. „Es waren Speere dabei, die es so noch nicht gegeben hat. Ich hoffe, dass es nicht nur mir als Topathleten, sondern auch dem Breitensportler hilft.“

Was die akribische Arbeit gebracht hat, wird sich bei den ersten Wettkämpfen zeigen. Nach einem weiteren Verbandstrainingslager in Portugal geht es direkt zum Saisoneinstieg nach Doha (4. Mai).

Das erste Trainingslager in Südafrika nutzte Thomas Röhler, um ein Gefühl für den Speer zu bekommen. Den Winter über habe er nur mit Bällen trainiert. „Das haben wir in den vergangenen Jahren schon so gemacht, es ist bei uns Teil der Trainingsphilosophie. Wir legen damit einen anderen Schwerpunkt.“ Im zweiten Trainingslager in Portugal geht es in Richtung Feintuning. „Wir erhöhen die Intensität im Wurf, es geht auch mal auf die Bahn und den Rasen. Wir bewegen uns in Richtung Wettkampf.“

Zusätzliche Motivation: Kampf um die finnische Insel

Wettkampf bedeutet zugleich Konkurrenz. Diese zu beobachten empfand Thomas Röhler ebenfalls als spannend. Bis auf die Finnen mit ihrem Routinier Tero Pitkämäki bereitete sich auch die internationale Konkurrenz aus Estland und Tschechien in Südafrika vor. „Uns steht ein spannendes Jahr bevor. Die Gegner sind auch fit und bereit über 90 Meter zu werfen. Ich glaube, wir werden in dieser Saison viele weite Würfe sehen“, meint der mehrfache deutsche Meister und fügt schmunzelnd an: „Hoffentlich reichen die Stadien noch aus.“

Spannend und aufregend wird die Saison allemal. Nicht nur durch die EM in Berlin. So kann der Sieger bei den Paavo-Nurmi-Games (5. Juni), wenn er den finnischen Rekord (93,09 m) übertreffen sollte, eine Insel des Turku-Archipels gewinnen. Da musste selbst Thomas Röhler noch mal nachfragen. „Ich habe das Interview von Südafrika nach Finnland geführt. Die Verbindung war nicht perfekt. Ich finde es eine geniale Idee, obwohl ich bisher nichts über die Insel weiß.“ Der Ansporn auf den Tagessieg ist nochmals gestiegen.

Dazu muss erstmal der Rekord überboten werden. „'Da wo Röhler und Vetter antreten, da fliegen die Speere immer weit.' Das scheint für viele fast schon zur Selbstverständlichkeit geworden zu sein. Aber das ist es keinesfalls. Wir reden hier über den finnischen Rekord, er ist weiterhin eine Traumweite, wenn auch seit vergangenem Jahr in Reichweite.“ Er freue sich auf den Wettkampf – und hätte richtig Bock darauf, eine Insel zu gewinnen.

Neue Herausforderung: „Klein gegen Groß“

Bevor sich Insel- und Medaillenträume erfüllen, wartet auf Thomas Röhler noch eine andere sportliche Herausforderung. Wenige Tage nach seiner Rückkehr aus dem Trainingslager bereitete er sich auf die Familienshow „Klein gegen Groß – das ungleiche Duell“ vor. Er ist einer der Topstars, der sich dem Duell mit einem kleinen Herausforderer stellen wird. Details dürfte er noch nicht verraten. Nur so viel: „Die Challenge hat es in sich, sie fällt mir selbst richtig schwer. Herausgefordert werde ich von einem super sportlichen jungen Talent.“

Vielleicht bringt der Fernsehauftritt ja noch einen weiteren Trainingseffekt. Auch für die EM. So wie einst Thomas Röhler vor fast neun Jahren im Berliner Olympiasation saß und seinen Vorbildern zuschaute, könnte in wenigen Monaten irgendjemand anders auf der Tribüne sitzen und sich sagen: „Ich will das auch einmal schaffen.“ „Das ist genau der Effekt, den wir im Sport haben wollen – dass wir junge Talente begeistern.“ Und wer weiß, vielleicht werden dann aus Vorbildern wieder Gegner.

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