| Doppel-Interview

Sprint-Double: Im Gespräch mit Gina Lückenkemper & Lisa-Marie Kwayie

Sie sind im Jahr 1996 geboren. Haben 2013 die ersten Wettkämpfe gegeneinander bestritten. Und starten seit 2019 beide für einen Berliner Verein. Damit werden die Deutschen Meisterschaften am 3./4. August im Olympiastadion für Lisa-Marie Kwayie (Neuköllner SF) und Gina Lückenkemper (SCC Berlin) zu einem Heimspiel. Wir haben die beiden deutschen Top-Sprinterinnen vor der DM zu einem Doppel-Interview getroffen und mit ihnen über gemeinsame Erfahrungen, die duale Karriere, soziale Medien und die Rückkehr ins Olympiastadion von Berlin gesprochen.
Cäcilia Fischer

Gina Lückenkemper, Lisa-Marie Kwayie, ihr geht beide sehr freundschaftlich miteinander um. Wie lange kennt ihr euch schon?

Lisa: Seit 2013.

Gina: Wir haben uns über Wettkämpfe kennengelernt. Ich kann mich auf jeden Fall noch an Schweinfurt erinnern, wo diese U18-Gala im Vorfeld der U18-WM war.

Lisa: Bei der WM war ich aber nicht dabei.

Wie habt ihr euch damals wahrgenommen?

Gina: Schnell gerannt sind wir beide.

Lisa: Ich fand Gina schon unglaublich cool, weil sie so ganz anders war als die anderen. Sie war ziemlich locker und entspannt, da habe ich mich schon gefragt, wie sie das macht, vor allem in ihrem Alter. Sie ist sich bis heute treu geblieben, das ist krass. Ich war früher immer extrem aufgeregt vor Wettkämpfen, Gina hat eher noch was gegessen. (lacht)

Gina: Wenn ich Hunger hatte, hatte ich Hunger.

Lisa: Das Ehrliche und Direkte von Gina hat mich damals schon beeindruckt.

Gina: Man muss fairerweise aber dazu sagen, dass es damals nicht mein erster großer Wettkampf war. 2012 war ich ja mit 15 Jahren bei der U20-WM dabei. Da habe ich gelernt, dass es nur ein Wettkampf ist. Lisa wirkte auf mich aber auch immer entspannt. Da sind manche im Team dabei, die das Reden vor einem Wettkampf eher nicht so cool finden und ihre Ruhe wollten. Ich hab das respektiert, mich aber gefreut, wenn jemand mit mir reden wollte, denn mir war sonst langweilig. Lisa ist bei ihrem Training lieber für sich. Sie ist sehr straight, aber kommuniziert das klar.

Lisa: Gina beruhigt einen aber auch. Da darf sie mich schon auch mal ansprechen.

Wie würdet ihr euch gegenseitig beschreiben?

Lisa: Gina ist ehrgeizig, ehrlich und sehr zielstrebig.

Gina: Ich kann das nur so zurückgeben. (lacht)

Als Konkurrenz empfindet ihr euch nicht?

Gina: Nicht im klassischen Sinn. Auf der Bahn pushen wir uns schon gegenseitig, aber das soll ja auch so sein. Klar will am Ende jede als Erste im Ziel sein. Sonst versuchen wir uns eher zu helfen.

Lisa: Ohne Konkurrenz geht es ja auch nicht.

Gina: Alleine zu rennen macht auch überhaupt keinen Spaß.

Verfolgt ihr gegenseitig, welche Ergebnisse ihr bei Wettkämpfen erreicht?

Lisa: Eher nicht. Man sieht sich ja und erzählt sich, was passiert ist. So wie heute.

Gina: Ich bekomme schon mit, wenn Lisa etwas postet, und je nachdem, was es ist, schreibe ich ihr auch mal und kommentiere.

Dass ihr zusammen bei der EM 2018 und der U20-WM 2014 jeweils Bronze in der 4x100-Meter-Staffel geholt habt, verbindet sicher.

Lisa: Definitiv. Ich kenne Gina ja schon aus der Jugend, da ist alles ein bisschen entspannter.

Gina: Gerade wenn man in so ein Teamgefüge reinkommt. 2015 kannte ich zum Beispiel Rebekka und Alexandra Burghardt nur flüchtig, aber das half mir schon dabei, als einzige junge Sprinterin dazuzukommen. Wenn man zusammen Erfolg hat, verbindet das natürlich nochmal. Es macht auch Lust auf mehr. Da will man weiterhin Erfolge haben. Dieses gemeinsame Ziel zu haben ist schön, man pusht sich gegenseitig dann umso mehr. 

Lisa, du studierst soziale Arbeit in Berlin und du, Gina, studierst Wirtschaftspsychologie an der Uni Bochum. Was heißt das für euren Sport? Würdet ihr dem Nachwuchs ein zweites Standbein empfehlen?

Gina: Definitiv. Du stehst ja ansonsten nach dem Karriereende ohne was da. Entweder eine Ausbildung nebenbei machen oder die Möglichkeiten über die Sportfördergruppen nutzen. Wenn du nichts hast, wenn es plötzlich vorbei ist, wäre das der „worst case“. Mit dem Studium ist es manchmal allerdings nicht so einfach. Ich hab mir jetzt ein erstes Urlaubssemester genommen, um mal auf die Bremse zu gehen. Das tut mir sehr gut aktuell. Ich wäre jetzt im sechsten Semester meines Bachelors.

Lisa: Das bin ich auch. Eine Zeitlang wollte ich in einer Grundschule arbeiten als Sozialarbeiterin.

Gina: Früher wollte ich mal Grundschullehrerin werden! Dann wollte ich zu einer weiterführenden Schule und dann bin ich bei Wirtschaftspsychologie gelandet. Ich stell nur oft fest, dass mir der Kopf für die Uni fehlt, weil der Trubel im Sport gerade so groß ist. Grundsätzlich muss man vieles aber auf sich zukommen lassen. Ich versuche während meiner aktiven Karriere natürlich schon, Chancen, die sich mir bieten, zu ergreifen. Zum Beispiel Auftritte als Gastrednerin. Durch den Sport knüpft man ja so oder so viele Kontakte zu Unternehmen.

Das Ende der Karriere macht euch noch keine Angst?

Gina: Nein. Im Leistungssport kann so vieles von jetzt auf heute passieren.

Lisa: Ich denke da auch nicht weiter drüber nach.

Wie geht ihr mit den Kommentaren in den Sozialen Medien um, die vielleicht rassistisch oder sexistisch sind? Tauscht ihr euch da aus?

Gina (lachend): Ja, zuletzt heute Vormittag.

Lisa: Genau. Ich habe zum Glück noch keine Kommentare wie Gina bekommen, aber meine Reichweite ist auch noch nicht so groß. Als sie mir dann heute von dem einen Kommentar erzählte, war ich so schockiert, dass ich fast vom Bett gefallen bin. Was ist denn mit den Leuten los, dass die so unkontrolliert schreiben?

Gina: Mich hat jemand in einer Sprachnachricht extrem beleidigt. Natürlich anonym. Am Tag davor schrieb er mir das erste Mal, dass ich eine „arrogante Bitch“ wäre.

Lisa: Das ist Hardcore. Dass mal jemand schreibt, dass ich schlecht gerannt bin, ist das für mich schon fast normal, aber sowas…

Gina: Ich werde oft gefragt, ob es Menschen gibt, die mich nicht mögen. Natürlich gibt es die. Du kannst auch nie allen gefallen.

Lisa: Ich hoffe, dass ich das nie erlebe. ich habe auch keinen, der mich da berät. Rassistische Kommentare kamen nur ein- oder zweimal bisher. Ich bin froh, dass es nicht wie im Fußball ist.

Habt ihr Vorbilder?

Lisa: Die Sprinterin Allyson Felix hat mich bei Olympia 2012 so beeindruckt, dass ich laufen wollte wie sie. Aber das war nur ein kurzer Impuls. Privat ist meine Mama mein Vorbild.

Gina: Nein, ich hatte noch nie ein Vorbild.

Wie geht ihr mit Druck um?

Gina: Nur der eigene Druck ist für mich entscheidend. Was andere von mir denken oder erwarten, das ist mir egal, denn nur ich weiß, was bei mir abläuft. Manchmal beschwere ich mich aber dann doch bei Lisa. (lacht)

Lisa: Ich hab inzwischen akzeptiert, dass der Druck dazu gehört. Ohne ihn läuft man auch nicht so schnell. Darüber zu reden, wenn es mal nicht so funktioniert, hilft ungemein. Zu wissen, dass die Mädels mich verstehen, ist viel wert.

Gina: Genau. Deshalb wollen wir das im Sprintbereich mehr fördern, dass wir uns austauschen. Auch mit dem Nachwuchs.

Wie nehmt ihr die internationale Konkurrenz wahr?

Lisa: Ich gucke mir manchmal noch nicht mal die Meldeliste an vor Wettkämpfen. (lacht)

Gina: Ich kümmere mich auch nicht wirklich drum.

Wie steht ihr zu Tattoos? Du Gina, hast ja die olympischen Ringe auf deinem Bizeps.

Gina: Und das, obwohl ich ein Problem mit Nadeln habe! Ich bin 30 Heldentode gestorben.

Lisa: Das würde ich auch!

Gina: Aber ich hatte mir geschworen, dass es die Ringe sein sollten. Als mich meine Eltern nach Rio zum 20. Geburtstag fragten, was sie mir schenken sollen, hab ich das vorgeschlagen. Mein Vater meinte erst, er würde nicht für irgendwas zahlen, was er eigentlich nicht so gut findet, aber am Ende gefiel es ihm auch.

Wird es ein weiteres geben?

Gina: Definitiv nicht.

Habt ihr Glücksbringer?

Lisa: Ich habe eine Kette meiner Mutter.

Gina: Ich habe eine von meinem Freund.

Lisa, Charity, ist das was für dich?

Lisa: Noch nicht. Da kann mir aber Gina sicher Tipps geben. Wie für so vieles. (lacht)

Auf was freut ihr euch jetzt?

Lisa: Auf die Deutschen Meisterschaften. Das ISTAF ist immer geil, das Olympiastadion auch.

Gina: Ich kann mich dem nur anschließen. Auf die Deutschen Meisterschaften freuen wir uns als Leichtathletik-Familie alle. Unser großes Ziel sind aber natürlich die Weltmeisterschaften in Doha und die Olympischen Spiele 2020 in Tokio.

Gina und Lisa rennen sehen!

<link>Tickets für die Deutschen Meisterschaften am 3./4. August in Berlin

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