| Weltmeisterschaften 2017

Norovirus in Teamhotels: WM in London keine normale Meisterschaft

Aufgrund des Norovirus sind aktuell noch zwei DLV-Athleten und ein Betreuer in Isolation. Mittlerweile ist das Virus in allen Athletenhotels der WM in London nachgewiesen. Der Leitende Direktor Sport im DLV, Idriss Gonschinska, spricht unter diesen Umständen von einer Meisterschaft, wie er sie noch nie erlebt hat.
Jan-Henner Reitze

Es begann am Abend vor der Eröffnung der Weltmeisterschaften in London (Großbritannien): Zwei DLV-Athleten, die am Donnerstag außerhalb des Teamhotels gegessen hatten, klagten über Übelkeit. Das Ärzteteam ging zuerst davon aus, dass die betroffenen Athleten etwas Falsches gegessen hatten. Als dann in der Nacht ein weiterer Fall hinzukam, wurden der Leitende Verbandsarzt Andrew Lichtenthal und seine Kollegen hellhörig. Es stellte sich heraus, dass auch in der kanadischen Mannschaft ein Fall von Übelkeit aufgetreten war.

"Obwohl wir die Ursachen der Beschwerden nicht kannten, haben wir die Betroffenen vom Rest des Teams getrennt", erklärte Andrew Lichtenthal am Mittwoch auf einer Pressekonferenz. Am Samstag meldete sich ein weiterer DLV-Betreuer mit Symptomen. Untersuchungen unter anderem von Speichelproben brachten in mehreren Proben das hoch ansteckende Norovirus zutage. Im deutschen Teamhotel sind bisher 30 Fälle bekannt, mittlerweile ist klar, dass auch alle anderen Athletenhotels der Weltmeisterschaften betroffen sind. Im DLV-Team gibt es insgesamt 13 Fälle, sieben Athleten und sechs Betreuer.

"Wenn solche Probleme auftreten, geht es nicht mehr alleinig um den Sport", sagte Andrew Lichtenthal. "Wir müssen nicht mehr nur den Sportler schützen, sondern die Umgebung, um die Weiterverbreitung zu verhindern." Denn während das Norovirus bei gesunden Menschen nur geringe Beschwerden hervorruft, stellt es für vorbelastete Personen eine große gesundheitliche Gefahr dar. So war unter anderem der als Herausforderer von Wayde van Niekerk (Südafrika) über 200 Meter und 400 Meter gehandelte Isaac Makwala (Botwana) vom Weltverband IAAF am Start gehindert worden.

Aktuell zwei DLV-Athleten und ein Betreuer in Isolation

Um die Ausbreitung im DLV-Team so weit wie möglich zu unterbinden, wurden die Hygienestandards erhöht. "Zur Begrüßung sollen sich die Athleten zum Beispiel nicht umarmen", erklärte Andrew Lichtenthal. Im DLV-Team sind im Moment noch zwei Athleten und ein Betreuer betroffen. Es gilt eine 48-Stunden-Regel, in der die Isolation eingehalten werden muss. "Wenn jemand erkrankt, der am nächsten Tag einen Wettkampf hat, dann werden wir einen Start nicht zulassen.“

Der Leitende DLV-Verbandsarzt steht in ständigem Kontakt mit den medizinschen Verantwortlichen des Organisationskomitees sowie des Weltverbands IAAF. Dieser hat mittlerweile für alle Teams Hygienestandards herausgegeben. Für das deutsche Team gilt sogar eine Dienstanweisung des Leitenden Direktors Sport Idriss Gonschinska.

Mittlerweile zwei getrennte Teams

Die physiotherapeutische Betreuung durch das Ärzteteam im Teamhotel wurde auf eine Minimalversorgung heruntergefahren. Die Team-Tribünen im Stadion sollen vor dem Wettkampfstart gemieden werden. Für neu ankommende DLV-Athleten werde intensiv Ausweich-Hotels gesucht.

Eine separate Unterkunft haben zum Beispiel die Speerwerfer Thomas Röhler (LC Jena), Johannes Vetter (LG Offenburg) und Andreas Hofmann (MTG Mannheim) mit ihren Betreuern, die Mehrkämpfer um den Weltjahresbesten Rico Freimuth (SV Halle) waren bereits zuvor für ein anderes Hotel vorgesehen, das näher an der Wettkampf-Stätte liegt. Sie haben auch ein eigenes kleines medizinisches Team, das nun mit einem neu aus Deutschland angereisten Physiotherapeuten die Versorgung der Athleten gewährleistet, die nicht im Teamhotel untergebracht sind.

Idriss Gonschinska: Meisterschaften wie noch nie, Hoffnung auf Trotzreaktion

Diese Umstände machen die WM für die sportliche Leitung im DLV zu einer Herausforderung. "Es ist eine Meisterschaft, wie wir sie so noch nicht erlebt haben und trotzdem glauben wir gerade durch die konsequent eingeleiteten Maßnahmen für die folgenden Wettkampftage an unsere Chancen. Vielleicht waren wir einfach etwas konsequenter und schneller in der Umsetzung als die anderen Teams", erklärte Idriss Gonschinska, Leitender Direktor Sport. "Wir sind täglich in mehreren Strategiesitzungen zusammengekommen, um den Schaden zu begrenzen, aber auch um unsere Chance in dieser besondere Lage auszubauen. Noch immer sind wir ja mit unseren Zielen bei einer Weltmeisterschaft und werden bis zur letzten Disziplin kämpfen."

Im Kontext der gesamten Situation und der eingeleiteten Maßnahmen werde die Vorbereitung auf den Wettkampf natürlich auch irgendwie beeinflusst. "Die Athleten werden aber damit zurecht kommen. Die gesunden Athleten dürfen sich möglichst nicht von der unerwarteten Situation beeinflussen lassen.“ Der Leitende Direktor Sport baut auf eine hohe Eigenkompetenz sowie auf eine Trotzreaktion der DLV-Athleten und hofft daher auf weitere Spitzenergebnisse. "Viele unserer Peak Performer starten am Ende der Wettbewerbe", sagte Idriss Gonschinka und spielte unter anderem auf den Speerwurf der Männer an.

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