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Internationales Trainingscamp: Speerwurf-Olympiasieger vermittelt Wissen

Spätestens seit seinem Olympiasieg in Rio hat Thomas Röhler einen Hype im Speerwerfen ausgelöst. Vom Olympiasieger lernen, das können gegenwärtig rund 50 Teilnehmer beim internationalen Trainingscamp (25. Juni bis 1. Juli) in Jena. Aber nicht nur das. Speerwerfen soll vor allem eins – Spaß machen!
Sandra Arm

Unaufgeregt, entspannt, locker: das morgendliche Ankommen in der Leichtathletikhalle Oberaue steht sinnbildhaft für den Tag. Zuerst ein freundlicher Morgengruß auf englisch, dann ein lockeres individuelles Aufwärmen, bevor Thomas Röhler (LC Jena) mit den knapp 50 Teilnehmern in den dritten Trainingstag startet. Gesprochen und erklärt wird auf englisch. Die Athleten sollen sich in vier Gruppen für das Stationtraining zusammenfinden. Das funktioniert reibungslos. Anschließend bestimmen Wackelbretter, sandiger Boden, eine Slackline und Wurfscheiben die morgendliche Einheit.

Es ist das erste Trainingscamp dieser Größenordnung in Jena, speziell für Speerwurf. Beworben und publiziert wurde es von Thomas Röhler vorrangig über die sozialen Netzwerke. Rückmeldungen erhielt er aus der ganzen Welt. Die weiteste Anreise ist aus Guatemala. "Nein, wir waren nicht überrascht, dass jemand von so weit her nach Jena kommt. Obwohl es natürlich nicht alltäglich ist. Wir waren schon positiv berührt, dass Leute aus der ganzen Welt vom Trainingslager Notiz genommen haben", sagt Röhlers Coach Harro Schwuchow, der die Einheiten fachkundig begleitet.

Interesse aus der ganzen Welt

Meldungen kamen unter anderem aus den USA, Kanada, Honkong, Taiwan, Schweiz, Norwegen, Dänemark, England und natürlich Deutschland. Die Idee wurde mehr als positiv aufgenommen. "Wir lassen uns immer etwas Neues einfallen. Wir haben gemerkt, das Interesse international ist sehr groß. Der Speerwurf hat seit ungefähr zwei Jahren einen Hype erfahren, den wir ein bisschen ausnutzen wollen", meint Harro Schwuchow.

Die Camptage sind alles andere als straff durchgetaktet. Die Atmosphäre ist recht locker und entspannt. "Schirmherr" Thomas Röhler sitzt mittendrin, führt Gespräche und packt auch selbst kräftig mit an. In den sieben Tagen wolle das Team "JenJavelin" den Spaß am Speerwerfen vermitteln. "Wir wollen zeigen, dass die Disziplin interessant ist und jeder Speerwerfen in bestimmten Grenzen lernen und sich entwickeln kann", erklärt Harro Schwuchow. Zudem werden unterschiedliche Trainingsinhalte angeboten. Das Erlernte soll für das Training daheim neue Impulse geben.

Alternative Trainingsmethoden: Slackline, Wackelbretter und Wurfscheiben

Und das mit den einfachsten Mitteln wie mit einer Slackline. Ganz unkompliziert zwischen zwei Bäumen gespannt, kann so eine Balancier-Schnur für reichlich Abwechslung im Trainingsalltag sorgen. Die Campteilnehmer probieren sich sogleich sitzend oder stehend auf der Slackline aus. Teils noch ziemlich wackelig, aber mit einem positiven Nebeneffekt. "Sie kann sehr viel Spaß machen, wenn man sich darauf einlässt. Und die Leute lassen sich darauf ein", hat Schwuchow beobachtet. Nicht nur an dieser Station soll der Fuß gestärkt werden. Der Blick schweift zur nächsten Gruppe, die einbeinig auf wackeligen Brettern steht und sich gegenseitig die Bälle zuwirft.

Nur wenige Meter weiter wühlen sich die Teilnehmer mit ihren Füßen durch die Sandgrube. Mal hüpfend auf einem Bein, mal springend, mal schiebend. Währenddessen fliegen außerhalb der Halle farbige Wurfscheiben über das Fußballfeld. Das alternative Trainingsprogramm kommt bei den vorrangig jungen Athleten sehr gut an. "Es macht richtig Spaß, wenn man abwechslungsreich arbeiten kann", sagt Melissa Stanick (LAV Bünde).

Ihr Trainer René Johanning habe über den Online-Dienst Instagram vom Trainingscamp erfahren und sie beide angemeldet. "Es sind viele erfahrene Trainer dabei, bei denen sich mein Trainer auch Tipps holen kann. Zudem passt die Kombination aus Trainingslager und Wettkampf sehr gut", schätzt die 17-Jährige die Vorzüge des Camps. Noch dazu steht sie nach einer mehrmonatigen Zwangspause vor ihrem Saisoneinstieg.

Positive Grundstimmung steckt an

Nicht so richtig rund lief die bisherige Saison für Nadja Pasternack. Die Schweizerin, gebürtig aus Hamburg, stand mitten in der Saison ohne Trainer da und hatte bis zuletzt mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. "Die Motivation ist einfach unten, wenn man keinen Trainer hat. Es ist nicht einfach allein zu trainieren", sagt die 21-Jährige, die sich von dem Camp neue, frische Impulse erhofft. Vielleicht findet sie sogar einen neuen Trainer. "Ich lerne neue Leute kennen, man bekommt neuen Imput und neue Ideen vom Werfen. Fast zu viele Ideen", sagt sie schmunzelnd und hebt die positive Grundstimmung hervor.

Einmal weichkneten, bitte! Myron Weinberg nimmt die physiotherapeutische Behandlung in Anspruch. "Sein Oberschenkel ist vom Dienstagstraining hart", erklärt sein Vater und Trainer Michael Weinberg. Angreist sind sie aus Norwegen, wohin sie vor elf Jahren ausgewandert sind. Besonders fasziniert zeige sich der 44-Jährige von den Trainingsmethoden: "Ich bin sehr deutsch geprägt und einfach gestrickt. Die Norweger machen viel mit Gewichten. Das ist nicht meine Art." Das alternative Training in Jena kommt ihm mehr entgegen. "Ich empfinde es hier wie auf einem Spielplatz für die Großen. Das macht enorm Spaß. Dazu das super Wetter zum Speerwerfen. Einfach perfekt." In der Kürze der Zeit hat er für sich schon etwas mitnehmen können. "Die Leichtigkeit und der Spaß, der mir in Norwegen fehlt."

Sein Sohn hält momentan die Fahne der norwegischen Speerwerfer hoch. "Ich bin der Einzige, der werfen kann. Alle anderen sind verletzt", erklärt Myron Weinberg die prekäre Situation. In Norwegen fehle die Konkurrenz. Nach dem Karrierenende von Olympiasieger Andreas Thorkildsen kam nichts mehr vergleichbares mehr nach. Der 18-Jährige hat sich nach einer Zwangspause vor vier Wochen wieder ins Geschehen zurückgemeldet. Das Camp gibt weitere Zuversicht. Das Training begeistert. "Ich bin nicht der Typ, der in den Kraftraum geht und sich aufpumpt. Ich bin ein Fan von den Sachen, die in Jena angeboten werden."

Erst Brauereibesichtigung, dann Mitfiebern mit dem DFB-Team

Etwas Kultur darf in diesen Tagen neben dem Sport nicht fehlen: So ging es nach dem Mittagessen zu einer Brauereibesichtigung nach Apolda. Anschließend wurde in großer Runde das WM-Spiel zwischen Deutschland und Südkorea geschaut. Viel Grund zum Jubeln hatten die Deutschlandfans nicht, mit 0:2 ging die Partie verloren. Die Konsequenz: Deutschland schied in der Vorrunde aus.

Vom Fußball zurück zum Speerwurf: Im Traininsglager erwartet die Teilnehmer in den weiteren Tagen noch eine Kraft- und Wurfeinheit. Zum Speer wurde bereits am Dienstagnachmittag gegriffen. "Wir können nur Feinheiten abstimmen", meint Harro Schwuchow. Ob die Tipps von ihm und Thomas Röhler vielleicht schon fruchten, das zeigt sich beim zweitägigen Speerwurf-Festival (29./30. Juni) an gleicher Stelle. Der 26-Jährige wird am kommenden Samstag in seinem "Wohnzimmer" selbst zum Wurfgerät greifen. Dann heißt es für die Teilnehmer, ganz genau hinschauen und vom Olympiasieger lernen.

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