| Interview der Woche

Hendrik Pfeiffer: "Die letzten 14 Kilometer waren die Hölle"

Starkes Comeback und harter Kampf: Hendrik Pfeiffer meldete sich am Sonntag in Köln mit einem Sieg und der EM-Norm für Berlin im Marathon-Geschäft zurück. Der Wattenscheider lief die 42,195 Kilometer in 2:13:39 Stunden, musste sich aber schon ab Kilometer 28 richtig quälen. Im Interview spricht der 24-Jährige über die wohltuende Badewanne nach den Strapazen und die Qualen seines bislang wichtigsten Rennens.
Pamela Ruprecht

Hendrik Pfeiffer, Sie waren im Ziel richtig erschöpft und klagten über Schmerzen, wie geht es Ihnen ein paar Stunden nach dem Rennen?

Hendrik Pfeiffer:

Ich war gerade in der Badewanne, das war eine Wohltat. Ich brauche bestimmt zwei, drei Wochen, bis ich das Ding aus den Knochen habe. Es war echt brutal und nicht vergleichbar mit dem Marathon in Düsseldorf [2:13:11 Stunden beim Debüt] letztes Jahr. Mir ging es sehr früh schon extrem schlecht. Ich habe 14 Kilometer echt kämpfen müssen, das war muskulär echt hart. Ich bin froh, dass ich durchgekommen bin. Aber mir geht es natürlich gut, weil ich mein Ziel erreicht habe, da nimmt man natürlich in Kauf, dass man jetzt etwas auf Krücken geht. Die Treppen muss ich ein paar Tage rückwärts runterlaufen. Ich habe im Ziel geweint, weil ich so kaputt war, das ist mir in meinem Leben auch noch nie passiert. 

Haben Sie während des Marathons auch einmal daran gedacht auszusteigen?

Hendrik Pfeiffer:

Ich bin auf der allerletzten Rille gelaufen. Mir ging es überraschend früh, relativ schlecht. Das hatte ich nicht erwartet und ich war zwischenzeitlich im Kopf auch kurz am Aussteigen, habe mir aber gesagt: 'Ich steige nicht aus, ich will das Ding haben.' So habe ich es irgendwie gerettet, auch in einer Zeit, die noch für die Norm reichte. Für mich ist das Ergebnis heute mehr wert, als die Olympia-Norm beim Debüt letztes Jahr, auch wenn es etwas langsamer war. Die letzten 14 Kilometer bin ich durch mehrere Höllen gegangen.

Wie haben Sie geschafft, diese Schmerzen auszublenden und dennoch das Ziel zu erreichen?

Hendrik Pfeiffer:

Es war unglaublich viel an der Strecke los und viele Freunde von mir da. Ich hatte immer zehn Leute von mir dabei, die permanent geschrien haben. Simon Stützel, der mich eigentlichen pacen wollte, sich aber den Fuß gebrochen hat, ist extra gekommen. Oder Jan Fitschen und mein Trainer [Tono Kirschbaum] natürlich. Die Taktik ist aufgegangen. Ich habe Köln ausgewählt, weil ich hier bekannt bin und schon die deutsche U23-Bestleistung im Halbmarathon aufgestellt habe. Deswegen sind die Menschen hier auf meiner Seite. Die Stimmung war fantastisch. Das hat den Ausschlag gegeben, dass ich unter 2:14 [EM-Norm] bleiben konnte und mich immer wieder aufgerappelt habe.

Sie waren im Vorfeld trainingsmäßig auf einem viel höheren Level als 2016. Welche Erklärung haben Sie dafür, dass es Ihnen trotzdem schon so früh schwer fiel?

Hendrik Pfeiffer:

Wir waren doch schnell unterwegs. Das ist das Gemeine am Marathon. Am Anfang tut es nicht weh und man rennt die Kilometer dann ein, zwei Sekunden zu schnell und denkt 'das ist ja kein Problem', und das rächt sich hinten raus. Ich bin immer noch Marathon-Novize. Deshalb habe ich das wahrscheinlich ein bisschen unterschätzt. Auf den ersten 15 bis 20 Kilometern hatte ich bestimmt sechs, sieben Kilometer dabei, die fünf, sechs Sekunden schneller als der angestrebte Durchschnittspace waren. Statt in 66:20 Minuten, haben wir die Halbmarathon-Marke unter 66 Minuten passiert. Es rollte anfangs zu gut.

Vergangenes Jahr wurden Sie an der Achillessehne operiert und haben deshalb die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro (Brasilien) verpasst. Ist mit dem Fuß wieder alles in Ordnung?

Hendrik Pfeiffer:

Die Sehne hat absolut gehalten, wie ich fühle, ist alles in Ordnung. Mir geht es jetzt natürlich schlecht, weil ich muskulär tot bin. Aber ich denke, das Problem habe ich aus der Welt geschafft. Ich mache auch viel dafür, und dehne mich häufiger und mache in dem Bereich mehr Kräftigung. Ich weiß, dass es immer mein Schwachpunkt bleiben wird, aber ich habe es unter Kontrolle. Das zählt.

Die letzten 14 Kilometer mussten Sie allein laufen, wären Ihnen internationale Top-Athleten im Feld lieber gewesen?

Hendrik Pfeiffer:

Generell kann ich schon relativ gut alleine laufen. Aber schnelle Mitläufer wünsche ich mir natürlich. In Düsseldorf hatte ich bis Kilometer 37 einen hervorragenden Tempomacher und konnte vor mir noch ein paar Kenianer einsammeln. Ich hätte in Köln gerne noch jemand gehabt, der mich länger zieht. Ich war mir der Situation aber im Vorfeld bewusst, dass auf deutsche Athleten gesetzt wird und diese im Mittelpunkt stehen. Das ist momentan ein Trend bei manchen Lauf-Veranstaltern.

Bei Ihrem ersten Marathon waren Sie 22 Jahre alt. Wie kam es, dass Sie im Vergleich zu anderen Langstrecklern schon in sehr jungen Jahren auf die 42,195 Kilometer gewechselt sind?

Hendrik Pfeiffer:

Ich wusste schon sehr früh, dass dort meine Zukunft liegt. Schon als ich damals bei meinem alten Trainer Jürgen Palm in Rhede war, hat er gesagt: 'Aus dir wird später ein Marathonläufer.' Das hatte ich immer im Kopf und mich reizt es einfach. Auch wenn es mir jetzt fürchterlich schlecht geht, will ich mich in der Königsdisziplin platzieren. Ich finde, man sollte den Schritt ruhig früher wagen. Dazu möchte ich junge Athleten ermutigen. Die Kenianer machen es vor. Was am Streckenrand los ist, das gibt es auf der Bahn nicht. Ich werde konsequent weiter auf den Marathon setzen, und auch die Unterdistanzen weiterentwickeln.

Die EM-Norm für Berlin (7. bis 12. August 2018) ist in der Tasche. Wie sieht Ihr Fahrplan Richtung Heim-EM aus?

Hendrik Pfeiffer:

Ich habe mir bewusst den Kopf freigehalten und wollte erstmal diese Herausforderung schaffen, bevor ich weiterplane. Das war richtig, denn die Herausforderung hat sich doch als härter entpuppt, als ich mir vorgestellt habe. Ich habe gedacht, 2:12 habe ich drauf. Aber die Zeit am Renn-Tag selber unter bestimmten Bedingungen abzuliefern, ist etwas anderes. Jetzt werde ich mich erstmal zwei Wochen erholen, das hat oberste Priorität. Vielleicht mache ich einen Silvesterlauf mit. Im Januar plane ich eine Höhenkette, um noch besser auf den Sommer vorbereitet zu sein. Mit der Norm bin ich in einer komfortablen Situation, ich bin nicht darauf angewiesen im Frühjahr nochmal unter 2:14 laufen zu müssen.

Mehr:

<link news:60309>Hendrik Pfeiffer feiert Comeback mit EM-Norm

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