| London 2017

Große WM-Vorschau für London – Die Wettbewerbe der Männer

Der Saisonhöhepunkt steht bevor: Die WM in London (Großbritannien; 4. bis 13 August) verspricht große Duelle und spannende Abschiede. Die DLV-Athleten reisen mit unterschiedlichen Zielen an. Einige wollen aufs Podest, andere ihre erste Bewährungsprobe auf großer Bühne bestehen. Lesen Sie in unserer Vorschau, wer die Favoriten in den einzelnen Disziplinen sind und wie die Chancen der Deutschen stehen.
Jan-Henner Reitze
100 Meter

Spannung als Abschiedsgeschenk

Mit seinen Weltrekorden von Peking (China) und Berlin hat Usain Bolt längst den Platz des Schnellsten Sprinters in den Geschichtsbüchern sicher, diese Rennen sind mittlerweile allerdings acht Jahre her. Seitdem ist der Jamaikaner durch seine einmalige Siegesserie und seine Art, das Publikum in seinen Bann zu ziehen, zur Legende geworden. Aber reicht es auch zum goldenen Abschied? In den vergangenen Jahren hat der 30-Jährige schon schwer in Tritt gefunden, war aber immer zum Jahreshöhepunkt doch wieder unschlagbar. Dieses Mal stehen die Vorzeichen für die Konkurrenz so gut wie nie. Am ehesten ist den alten Rivalen Justin Gatlin (USA) oder Yohan Blake (Jamaika) zuzutrauen, den Sprintkönig vom Thron zu stoßen. Oder ergreift doch der Kanadier Andre de Grasse seine Chance? Usain Bolt schenkt der Szene einen spannenden Abschluss-Showdown.

Für Julian Reus geht es einmal mehr darum, seine beste Leistung beim Jahreshöhepunkt abzurufen. Bei den Deutschen Meisterschaften war ihm das nach einer Saison mit wenigen Rennen schon gelungen.

Titelverteidiger: Usain Bolt (Jamaika; 9,79 sec)
Jahresschnellster: Christian Coleman (USA; 9,82 sec)
Deutsche Teilnehmer: Julian Reus (TV Wattenscheid 01; 10,10 sec)

200 Meter

Kronprinz gesucht

Seit 2009 hieß der Weltmeister über diese Distanz viermal nacheinander Usain Bolt. Wegen Rückenproblemen verzichtet der Jamaikaner bei seiner Abschieds-WM auf die Distanz, auf der er noch dominanter war als auf den 100 Metern. Als Kronprinz steht ein Athlet bereit, der von einer längeren Strecke kommt und mit seinem 400-Meter-Weltrekord schon Ansprüche angemeldet hat, der neue Superstar der Szene zu werden: Wayde van Niekerk. Der Südafrikaner wird allerdings schon die Rennen über die Stadionrunde in den Beinen haben. Dieses stramme Programm hat sich mit Isaac Makwala auch ein ernstzunehmender Gegner vorgenommen. Der Athlet aus Botswana hat mit seinem einmaligen Unter-20-Sekunden und Unter-44-Sekunden-Doppel an einem Abend in Madrid bewiesen, dass auch er über 200 und 400 Meter zu außergewöhnlichen Leistungen fähig ist.

Die DLV-Teilnehmer reisen mit Top-Zeiten an. Das Halbfinale zu erreichen, wird aber für Julian Reus bei seiner zweiten Startoption und Aleixo-Platini Menga wieder eine Herausforderung. Denn das Niveau hat angezogen, das haben vor allem die Olympischen Spiele von Rio de Janeiro (Brasilien) gezeigt.

Titelverteidiger: Usain Bolt (Jamaika; 19,55 sec)
Jahresschnellster: Isaac Makwala (Botswana; 19,77 sec)
Deutsche Teilnehmer: Julian Reus (TV Wattenscheid 01; 20,29 sec); Aleixo-Platini Menga (TSV Bayer 04 Leverkusen; 20,34 sec)

400 Meter

Weltrekord-Jagd?

Als wäre es ein lockerer Dauerlauf. So trommelte Wayde van Niekerk in Lausanne die 400 Meter in 43,62 Sekunden herunter. Das sah so aus, als wäre noch mehr drin. In diesem Rennen war auch Isaac Makwala chancenlos. Ganz anders bei der WM-Generalprobe in Monaco (Monte Carlo), als der Olympiasieger zu schnell anging und hinten raus richtig kämpfen musste gegen den erfahrenen Sprinter aus Botswana. Die beiden könnten sich in Richtung Weltrekord (43,03 sec) und damit der 43-Sekunden-Marke antreiben. Gemessen an diesen Aussichten könnte das Rennen die Qualität der 100 Meter in den Schatten stellen.

Titelverteidiger: Wayde van Niekerk (Südafrika; 43,62 sec)
Jahresschnellster: Wayde van Niekerk (Südafrika; 43,48 sec)
Deutsche Teilnehmer: keine

800 Meter

Durststrecke zu Ende

Als Olympia-Zweiter von London in 1:41,73 Minuten hatte Nijel Amos (Botswana) im Alter von 18 Jahren sein ganz großes Talent präsentiert. An diese Leistung konnte der mittlerweile 23-Jährige in den Folgejahren auf ganz großer Bühne nicht anknüpfen. In diesem Jahr hat er sich mit Diamond League-Siegen in Paris (Frankreich), London und Rabat (Marokko) wieder in starker Form gezeigt. Der erste große Titel ist reif. Mit dem Jahresschnellsten Emmanuel Korir gibt es aber einen Gegner auf Augenhöhe, der ein Jahr jünger ist und in internationalen Rennen deutlich weniger Erfahrung besitzt. Sein in die USA verlagertes Training hat den Kenianer erst in diesem Jahr so richtig nach vorne kommen lassen. David Rudisha muss seinen Titel kampflos hergeben: Der Weltrekordler und zweimalige Olympiasieger hat seinen Start aufgrund von Oberschenkel-Problemen abgesagt.

Marc Reuther hat mit Bronze bei der U23-EM schon ein wichtiges Jahresziel erreicht, mit der Erfüllung der WM-Norm wurde ein weiterer Traum wahr. Die erste WM-Teilnahme ist damit eine Zugabe, aber natürlich auch eine wichtige erste Erfahrung gegen die Besten der Welt.

Titelverteidiger: David Rudisha (Kenia; 1:45,84 min)
Jahresschnellster: Emmanuel Korir (Kenia; 1:43,10 min)
Deutsche Teilnehmer: Marc Reuther (Wiesbadener LV; 1:45,22 min)

1.500 Meter

Kenianisches Quartett

Mit Elijah Manangoi, Timothy Cheriyot, Ronald Kwemoi und Titelverteidiger Asbel Kiprop schickt Kenia ein Quartett ins Rennen, das Sieg und Platzierungen unter sich ausmachen könnte. Die stärksten Zeiten der Saison sind aber keine Garantie für eine Medaille, das hat nicht zuletzt Matthew Centrowitz (USA) mit seinem Olympiasieg in Rio bewiesen. Er wird wieder auf jede Schwächer der Afrikaner lauern, und besonders bei einem taktischen Finale können auch andere Athleten ganz nach vorne spurten.

Das erste Ziel für Homiyu Tesfaye und Timo Benitz ist das Halbfinale. Dort wollen sie hellwach sein und jede sich bietende Chance nutzen, ins Finale einzuziehen. Mit ihren Vorleistungen in diesem Sommer müssen sie sich nicht verstecken. Homiyu Tesfaye hat in Monaco gezeigt, dass er wieder hohes Tempo gehen kann, und Timo Benitz hat den Kick hinten raus, mit dem er in Erfurt am Deutschen Hallenrekordler vorbei zum deutschen Meistertitel gespurtet war.

Titelverteidiger: Asbel Kiprop (Kenia; 3:34,40 min)
Jahresschnellster: Elijah Manangoi (Kenia; 3:28,80 min)
Deutsche Teilnehmer: Homiyu Tesfaye (LG Eintracht Frankfurt; 3:33,47 min); Timo Benitz (LG farbtex Nordschwarzwald; 3:34,87 min)

5.000 Meter

Mach's nochmal, Mo

An Mo Farah beißt sich die Konkurrenz seit Jahren die Zähne aus. Der mittlerweile 34-Jährige hat einfach immer noch die meisten Reserven, wenn es in die Abschlussrunde geht. Das möchte er bei seinem Abschied von der Bahn vor heimischem Publikum natürlich noch einmal beweisen. Über 5.000 Meter wäre es sein viertes WM-Gold nacheinander. Seine schon jetzt einsame Rekordserie auf dieser Strecke würde er damit weiter ausbauen. Den Favoriten zu stürzen, ist am ehesten mit einem hohen Tempo denkbar, das Team Äthiopien anschlagen könnte. Da sie den Diamond League-Sieger in ihren Reihen haben, darf ein Quartett an den Start gehen, das vom Jahresschnellsten Muktar Edris angeführt wird.

Richard Ringer hat sich in Europa mittlerweile in der absoluten Spitze etabliert. Nach einer Negativ-Erfahrung bei Olympia  soll es auf Weltebene weiter nach vorne gehen. Ins WM-Finale ging es schon 2015, und der EM-Dritte hat eine gute Saison im Rücken. Er kann selbstbewusst, aber ohne zu überdrehen die Mission angehen, seinen 14. Platz von Peking (China) bestenfalls zu verbessern.  

Titelverteidiger: Mo Farah (Großbritannien; 13:50,38 min)
Jahresschnellster: Muktar Edris (Äthiopien; 12:55,23 min)
Deutsche Teilnehmer: Richard Ringer (VfB LC Friedrichshafen)

10.000 Meter

Heimsieg zum Auftakt fest eingeplant

Das Drehbuch für den Auftakt der WM ist geschrieben. Das Finale über 10.000 Meter ist die erste Entscheidung der Meisterschaften. Sie werden an einem extra ins Programm genommenen Auftaktabend am Freitag ausgetragen. Ein heimischer Held soll die Euphorie der Briten entfachen: Mo Farah setzt zum Hattrick an. Und es spricht wenig dagegen, dass die Siegesserie des vierfachen Olympiasiegers auch beim Heimspiel anhält. Die Herausforderer kommen einmal mehr aus Äthiopien und Kenia.

Titelverteidiger: Mo Farah (Großbritannien; 27:01,13 min)
Jahresschnellster: Abadi Hadis (Äthiopien; 27:08,26 min)
Deutsche Teilnehmer: keine

Marathon

Offenes Rennen

Es sind nicht die ganz großen Namen der Weltrekordler, die Kenia ins Rennen schickt. Das Team um den Sieger des London-Marathons Daniel Wanjiru ist dennoch nicht minder hochklassig. Mit Geoffrey Kirui kommt der Sieger von Boston (USA) dazu, Gideon Kipketer war Zweiter in Tokio (Japan).

Aus Äthiopien fehlt mit Kenenisa Bekele der bekannteste Name in der Startliste, der Weltrekordler auf der Bahn über 5.000 und 10.000 Meter ist nicht fit für die WM. Die Läufernation schickt mit Tamirat Tola den Olympia-Dritten über 10.000 Meter und Sieger des Dubai-Marathons ins Rennen, Hamburg-Sieger Tsegaye Mekonnen und Vize-Weltmeister Yemane Ahhane Tsegay. Mit Olympia-Gold und WM-Gold 2013 hat Stephen Kiprotich (Uganda) seine Fähigkeiten als Meisterschaftsläufer schon bewiesen, ganz so gut lief es in den vergangenen Jahren aber nicht mehr. Und oft hat so ein WM-Rennen auch schon eine Überraschung gebracht.

Titelverteidiger: Ghirmay Ghebreslassie (Eritrea; 2:12:28 h)
Jahresschnellster: Wilson Kipsang (Kenia; 2:03:58 h)
Deutsche Teilnehmer: keine

20 Kilometer Gehen

Killer-Instinkt

Wie gut lässt sich eine Top-Leistung bei einem Jahreshöhepunkt planen? Es ist das Ziel eines jeden Athleten, und doch kann allein am Tag X noch eine Menge schief gehen. Für eine Ausdauer-Disziplin wie das Gehen gilt das vielleicht sogar noch etwas mehr. Schließlich sind nicht so viele Testwettkämpfe möglich, um Routine aufzubauen.

Viele positive Erfahrungen auf dieser Bühne hat Christopher Linke, für den es über Jahre stetig nach oben ging. Erst ein Rückschlag mit WM-Rang 38 musste aber sein, um den Killerinstinkt für den ganz großen Coup zu wecken. Olympia-Rang fünf war die nächste positive Zwischenstation. In diesem Jahr ist der Potsdamer reif für eine Medaille. Dazu muss am Tag X alles passen.

Die Konkurrenz hat auch das Podium zum Ziel. Zu beachten sind die Geher aus China und Japan und der unter neutraler Flagge startberechtigte junge Russe Sergei Shirobokov. Nils Brembach und Hagen Pohle bauen ihre Leistung noch weiter auf. Ein Platz unter den Top 20 ist drin.

Titelverteidiger: Miguel Angel Lopez (Spanien; 1:19:14 h)
Jahresbester: Kaihua Wang (China; 1:17:54 h)
Deutsche Teilnehmer: Christopher Linke (SC Potsdam; 1:18:59 h), Nils Brembach (SC Potsdam; 1:20:43 h), Hagen Pohle (SC Potsdam; 1:21:41 h)

50 Kilometer Gehen

Langer Atem gefragt

Eine ganze Sammlung von internationalen Medaillen über diese Distanz hat der Australier Jared Tallent im Schrank. Eine WM-Goldmedaille fehlt dem 32-Jährigen noch. Auf dem Weg dorthin könnte er von seiner großen Erfahrung profitieren. Eine Wundertüte ist der Franzose Yohann Diniz, vom Weltrekord bis zum entkräfteten Ausstieg ist bei dem 39-Jährigen alles möglich. Die bisher schnellste Zeit des Jahres hat der Norweger Havard Haukenes hingelegt und sich damit auch in den Kreis der Medaillen-Anwärter gearbeitet.

Carl Dohmann hat bei der WM 2015 und Olympia im vergangenen Jahr das Ziel jeweils nicht erreicht. Kann er sein Leistungsvermögen abrufen, ist mit einer Platzierung im Vorderfeld der nächste Karriere-Schritt möglich. Für Karl Junghannß ist die WM-Premiere nach Silber bei der U23-EM die Chance, sich erstmals auf ganz großer Bühne zu präsentieren. Der Titelverteidiger und Olympiasieger fehlt. Um Matej Toth gibt es Doping-Ermittlungen.

Titelverteidiger: Matej Toth (Slowakei; 3:40:32 h)
Jahresbester: Havard Haukenes (Norwegen; 3:43:40 h)
Deutsche Teilnehmer: Carl Dohmann (SCL-Heel Baden-Baden; 4:17:19 h), Karl Junghannß (Erfurter LAC; 4:07:23 h)

110 Meter Hürden

Nach Olympiasieg ist vor WM-Titel

Omar McLeod ist der Mann, den die anderen schlagen wollen. Der Olympiasieger hat in diesem Sommer (fast) alle seine Rennen gewonnen, auch gegen starke Konkurrenz. Nur beim Diamond League-Meeting in Paris (Frankreich) war er von einem Krampf ausgebremst worden. Gefährlich werden könnte dem Jamaikaner ein Athlet, der in Rio gefehlt hat. Der russische Titelverteidiger Sergey Shubenkov ist unter neutraler Flagge wieder startberechtigt und an die 13-Sekunden-Grenze herangesprintet. So gut in Tritt wie seit Jahren nicht mehr ist zwei Jahre nach seiner Nierentransplantation auch Weltrekordler Aries Merritt (USA), für den eine Medaille in Reichweite kommen könnte.

Ein großes Finale ist und bleibt das Ziel von Matthias Bühler, der nach der verletzungsbedingten Absage von Gregor Traber (VfB Stuttgart) als einziger DLV-Hürdensprinter die deutschen Farben vertritt. Nah dran war er schon mehrfach. Zuletzt fehlte in Peking nur eine Zehntel.
 
Titelverteidiger: Sergey Shubenkov (12,98 sec)
Jahresschnellster: Omar Mc Leod (Jamaika; 12,90 sec)
Deutsche Teilnehmer: Matthias Bühler (LG Eintracht Frankfurt; 13,46 sec)

400 Meter Hürden

Youngster auf dem Vormarsch

Auf dem Papier geht der gerade einmal 20-jährige Kyron McMaster als Jahresschnellster und erster Gold-Kandidat in die WM. Am auffälligsten war in diesem Sommer aber der 21-jährige Norweger Karsten Warholm, der bei seinem Diamond League-Heimspiel in Oslo seinen Landesrekord auf 48,25 Sekunden drückte. Kurz danach gewann er auch in Stockholm (Schweden) und holte bei der U23-EM nicht nur über die Langhürden den Titel, sondern auch Silber über 400 Meter flach. Eine WM-Medaille würde der Saison des früheren Zehnkämpfers die Krone aufsetzen.

Olympiasieger Kerron Clement (USA) konnte sich Rang sieben bei den US-Meisterschaften leisten, weil er als Diamond League-Sieger eine Wild Card besitzt. Klappt der Rhythmus in London besser, könnte es zehn Jahre nach seinem ersten WM-Gold wieder ums Podest gehen. Titelverteidiger Nicholas Bett ist nicht in der Form von vor zwei Jahren.

Titelverteidiger: Nicholas Bett (Kenia; 47,79 sec)
Jahresschnellster: Kyron McMaster (Elfenbeinküste; 47,80 sec)
Deutsche Teilnehmer: keine

3.000 Meter Hindernis

Kemboi droht das Serienende

Viermal WM-Gold hintereinander und vorher noch dreimal Silber in Serie. Ezekiel Kemboi ist der WM-König über die Hindernisse, aber mit 35 mittlerweile nicht mehr der Jüngste. Mit Olympiasieger Conseslus Kipruto steht ein Nachfolger bereit, und auch Brimin Kipruto und Jairus Birech haben das Zeug, die Medaillenbilanz über die „Lieblingsstrecke“ der Kenianer weiter auszubauen.

Wie schon bei Olympia gelungen, wollen Mahiedine Mekhissi (Frankreich) und Evan Jager die kenianische Phalanx durchbrechen. Der US-Amerikaner reist sogar als Jahresschnellster an. Dass die Kenianer gemeinsame Sache machen, ist nicht zu erwarten. Das könnte ihre größte Schwäche sein und schlimmstenfalls Gold kosten.

Titelverteidiger: Ezekiel Kemboi (Kenia; 8:11,28 min)
Jahresschnellster: Evan Jager (USA; 8:01,29 min)
Deutsche Teilnehmer: keine

4x100 Meter

Abschied einer Legende

Es soll die große Abschieds-Show für Usain Bolt werden. Staffeln mit ihm waren fast immer auf Sieg programmiert. Und da dieser Wettbewerb immer den Abschluss seiner Auftritte bei einer großen Meisterschaft bildete, war auch die Feierstimmung des Superstars nach den Staffel-Triumphen besonders ausgelassen. Natürlich muss vorher das Staffelholz fehlerfrei um die Runde getragen werden, und läuferisch ist das US-Quartett den Jamaikanern näher auf die Fersen gerückt. Es wird also wie über die 100 Meter im Einzel spannend. Ein Sieg wäre für Usain Bolt der perfekte Abschied von der Bahn.

Die DLV-Staffel kämpft wieder um den Einzug ins Finale. Dabei ist nichts anderes gefragt, als so dicht wie möglich an den deutschen Rekord (38,02 sec) heranzulaufen. Bei Olympia im vergangenen Jahr waren 38,19 Sekunden für den Endlauf nötig. Mit Sicherheitswechseln riskiert man also die vielleicht entscheidenden Hundertstel.

Titelverteidiger: Jamaika (37,36 sec)
Jahresbeste: Großbritannien (38,08 sec)
Deutsche Teilnehmer: Robin Erewa (TV Wattenscheid 01), Sven Knipphals (VfL Wolfsburg), Julian Reus (TV Wattenscheid 01), Roy Schmidt (SC DHfK Leipzig), Robert Hering (TV Wattenscheid 01), Michael Bryan (TSG Weinheim)

4x400 Meter

America first

Auf der Bahn hat das US-Team bei einer WM nur ein einziges Rennen verloren, 1991 in Tokio waren die Briten vier Hundertstel schneller. In allen anderen 13 WM-Finals über 4x400 Meter kam ein US-Athlet als Erster durchs Ziel. Eine Schattenseite hat diese Serie allerdings auch. Gold der Jahre 1997, 1999, 2001 und 2003 wurde den US-Boys im Nachhinein aberkannt, wegen überführter Dopingsünder in der Staffel.

Schlägt eine andere Staffel die USA in London, wäre dies also eine kleine Sensation. Starke Herausforderer gibt es aber genug. Aber auch sie kommen vom amerikanischen Kontinent: Jamaika, die Bahamas und Trinidad & Tobago.

Titelverteidiger: USA (2:57,82 min)
Jahresbeste: US-Uni Texas (2:59,95 min)
Deutsche Teilnehmer: keine

Hochsprung

Thronreif

Ein großer internationaler Freiluft-Titel fehlt Mutaz Barshim noch. In der Halle hat er 2014 den Weltmeistertitel gewonnen, und auch unter freiem Himmel ging er schon mehrfach als Goldkandidat in den Wettkampf. Geklappt hat es bisher noch nicht, auch wegen der starken Konkurrenz. Olympiasilber gewann das Leichtgewicht aus Katar im vergangenen Jahr zum Beispiel mit 2,36 Metern, WM-Silber 2013 gar mit 2,38 Metern. Dieses Mal könnte eine solche Höhe schon Gold wert sein. Es sei denn, ein Mitstreiter wächst im entscheidenden Moment über sich hinaus.

Mateusz Przybylko hat mit seinen 2,35 Metern von Bottrop und drei weiteren 2,30-Meter-Wettkämpfen bewiesen, dass er ins Finale gehört. Das möchte er auf der großen Bühne von London bestätigen. Medaillendruck muss er sich nicht machen, diesmal noch nicht. Obwohl er als Zweiter auf der Meldeliste steht, sind andere vor ihm als Medaillenkandidaten zu nennen, wie Olympiasieger Derek Drouin (Kanada), Hallen-Europameister Sylwester Bednarek (Polen) oder Bohdan Bondarenko (Ukraine).  Eike Onnen ist in diesem Sommer nicht so stabil wie im vergangenen. Das Potenzial fürs Finale hat aber auch der EM-Dritte.

Titelverteidiger: Derek Drouin (Kanada; 2,34 m)
Jahresbester: Mutaz Barshim (Katar; 2,38 m)
Deutsche Teilnehmer: Mateusz Przybylko (TSV Bayer 04 Leverkusen; 2,35 m); Eike Onnen (Hannover 96, 2,30 m)

Stabhochsprung

Der fünfte Anlauf

Dreimal WM-Bronze und einmal Silber hat Renaud Lavillenie schon gewonnen. WM-Gold blieb dem Franzosen bisher verwehrt. Der Weltrekordler möchte seine Titelsammlung unbedingt vervollständigen. In der Favoritenrolle ist er dieses Mal aber weniger als in anderen Jahren. Der US-Amerikaner Sam Kendricks setzt diesen Sommer die Maßstäbe, hat alle seine Wettkämpfe gewonnen, dabei auch Renaud Lavillenie viermal geschlagen und erstmals sechs Meter gemeistert. Allerdings könnte die Verfolgerrolle auch ein Vorteil für den Franzosen sein, wo es doch mit seinem Favoritensieg bei einer WM nie klappen wollte.

Wiedererstarkt ist der Weltmeister von 2011 Pawel Wojciechowski (Polen). Raphael Holzdeppe konnte große Höhen nicht am laufenden Band abliefern. Der Vize-Weltmeister hat dennoch die nächste WM-Medaille im Visier. Etwas anderes ist von einem Athleten seines Kalibers auch nicht zu erwarten. Die Kampfansage spricht aber auch für vielversprechende Trainingsleistungen. Ein großer Konkurrent um die Medaillen fehlt: Olympiasieger Thiago Braz da Silva (Brasilien) plagt sich mit Verletzungen.

Titelverteidiger: Shawn Barber (Kanada; 5,90 m)
Jahresbester: Sam Kendricks (USA; 6,00 m)
Deutsche Teilnehmer: Raphael Holzdeppe (LAZ Zweibrücken)

Weitsprung

Flugshow möglich

Zum Beginn seiner Saison ist Luvo Manyonga in vier Wettkämpfen hinter der Marke von 8,60 Metern gelandet. Ein Niveau, das kein anderer Springer weltweit seit Jahren anbieten konnte. Bei seinem abschließenden Versuch beim Diamond League-Meeting in Stockholm tat sich der 25-Jährige allerdings weh. Hinterher war zwar die Rede von keiner ernsthaften Blessur, einen Wettkampf hat der Südafrikaner seitdem aber nicht mehr bestritten. Ist er bei der WM topfit? Wenn ja, geht der Titel nur über ihn.

Ansonsten hat auch Landsmann Rushwal Samaai in diesem Sommer reihenweise Topweiten in die Grube gebracht, sodass Südafrika noch ein Eisen im Feuer hat. Auf der Rechnung haben sollte man auch die US-Amerikaner mit Olympiasieger Jeff Henderson und die sprungstarken Chinesen. Die Briten werden den Wettbewerb mit einem weinenden Auge verfolgen: Greg Rutherford, im Olympiastadion 2012 als Olympiasieger zum Nationalhelden aufgestiegen, hat seinen Start schweren Herzens abgesagt.

Julian Howard hat erstmals den Sprung zu einer WM geschafft. In London möchte er sich so teuer wie möglich verkaufen und bestenfalls die acht Meter übertreffen. Eine solche Leistung könnte dann auch ins Finale führen.

Titelverteidiger: Greg Rutherford (Großbritannien; 8,41 m)
Jahresbester: Luvo Manyonga (Südafrika; 8,65 m)
Deutsche Teilnehmer: Julian Howard (LG Region Karlsruhe; 8,15 m)

Dreisprung

Anschluss an die ganz Großen

Er ist erst 21 und hat im vergangenen Jahr erstmals die 17 Meter übertroffen. Trotzdem verbindet man mit Max Heß zu Recht schon einige große Sprünge. Er ist Europameister, Vize-Weltmeister in der Halle und hat den deutschen Hallenrekord auf 17,59 Meter geschraubt. Verblüffend auch seine Nervenstärke und Coolness. Der Chemnitzer ist nicht nur ein Athlet der aktuellen Generation, sondern hat noch viele Jahre und damit auch viele Chancen auf internationale Lorbeeren vor sich. Sein erstes WM-Finale im Freien hat er drauf. Es wäre der endgültige Anschluss an die absolute Weltspitze.

Gold ist reserviert für Olympiasieger und Titelverteidiger Christian Taylor. Der Topfavorit hat mit seinem Landsmann Will Claye und dem Kubaner Pedro Pablo Pichardo allerdings Konkurrenz mit 18-Meter-Potenzial. Die Medaillen dürften ziemlich weit hinten in der Grube vergraben sein.

Titelverteidiger: Christian Taylor (USA; 18,21 m)
Jahresbester: Christian Taylor (USA; 18,11 m)
Deutsche Teilnehmer: Max Heß (LAC Erdgas Chemnitz; 17,13 m)

Kugelstoßen

Niveau wie lange nicht

22 Kugelstoßer haben in diesem Sommer schon die 21 Meter übertroffen, zwölf von ihnen die 21,50 Meter. Ein bärenstarkes Niveau. Mit seinen 21,87 Metern aus Gotha hat sich auch David Storl wieder ins Konzert der ganz Großen hineingearbeitet, allerdings haben diese absolute Top-Weite in diesem Jahr auch schon sieben Athleten überboten. Über allen thront noch einmal Olympiasieger Ryan Crouser, der in sieben Wettkämpfen in diesem Jahr die 22 Meter vor dem Komma hatte. Das verspricht einen WM-Wettkampf, wie man ihn lange nicht gesehen hat. Eine Medaillenchance hat der, der sein hohes Niveau auch in London zeigen kann.

Auf den Punkt fit zu sein, ist eine Eigenschaft, die David Storl in seiner Karriere oftmals ausgezeichnet hat, auch wenn das bei Olympia im vergangenen Jahr nicht gelungen ist. Die Formkurve des zweimaligen Weltmeisters zeigt wieder nach oben und somit stehen die Zeichen gut, dass es wieder weiter nach vorne geht, als in Rio. Geht am Ende eine zufriedener David Storl aus dem Ring, hat er einen zusätzlichen Termin bei der Siegerehrung. Gegen diese Konkurrenz wäre das top.

Titelverteidiger: Joe Kovas (USA; 21,93 m)
Jahresbester: Ryan Crouser (USA; 22,65 m)
Deutsche Teilnehmer: David Storl (SC DHfK Leipzig; 21,87 m)

Diskuswurf

Kampf der Generationen

Robert Harting oder Piotr Malachowski hießen in den Jahren 2009 bis 2015 die Sieger bei großen Meisterschaften. Mit dem Olympiasieg von Christoph Harting (SCC Berlin) hat im vergangenen Jahr auch ein Generationswechsel begonnen. In diesem Jahr sind es wieder andere Namen, die bei den Meetings die Akzente gesetzt haben. Daniel Stahl ist der erste Goldkandidat: 71,29 Meter als Bestleistung, dazu fünf weitere Wettkämpfe mit Weiten jenseits der 68 Meter und überzeugende Vorstellungen in der Diamond League. Dort hat auch ein Jamaikaner überzeugt. Fedrick Dacres schickte den Diskus bei drei Wettkämpfen über die 68-Meter-Marke, in diesem Weitenbereich mischt auch Andrius Gudžius aus Litauen mit.

Edelmetall bei einer großen Meisterschaft hat noch keiner dieses Trios gewonnen. Seine schier grenzenlose Erfahrung und auch die Fähigkeit, nochmal etwas mehr aus sich herauszuholen, wenn's drauf ankommt, könnte Robert Harting helfen, bei seiner erklärt letzten WM weit vorne zu landen. Immerhin ist es die Stätte seines Olympiasiegs. Für Martin Wierig gilt es, nach einigen weniger erfolgreichen Jahren wieder in ein internationales Finale einzuziehen.

Titelverteidiger: Piotr Malachowski (Polen; 67,40 m)
Jahresbester: Daniel Stahl (Schweden; 71,29 m)
Deutsche Teilnehmer: Robert Harting (SCC Berlin; 66,20 m); Martin Wierig (SC Magdeburg; 65,56 m)

Hammerwurf

Fajdek, wer sonst

Olympische Spiele sind der Albtraum von Pawel Fajdek. Zweimal schied er als Goldkandidat in der Qualifikation aus. Das macht den Dominator seiner Disziplin zu einem tragischen Helden. Bei Weltmeisterschaften hatte er seine Nerven dagegen bisher im Griff. Gold in Moskau und Gold in Peking. Die neun besten Wettkämpfe des Jahres hat der Titelverteidiger abgeliefert. Landsmann Wojciech Nowicki ist der Einzige, der außer ihm schon die 80 Meter geknackt hat. Ein polnischer Doppelsieg wäre also keine Überraschung.

Titelverteidiger: Pawel Fajdek (Polen; 80,88 m)
Jahresbester: Pawel Fajdek (Polen; 83,44 m)
Deutsche Teilnehmer: keine

Speerwurf

Das Beste der 80er und 90er

Es ist aus deutscher Sicht das Highlight der WM. Mit ihren Würfen an die Stellen zwei und drei in der Geschichte haben Thomas Röhler und Johannes Vetter auch weltweit Schlagzeilen gemacht. Wie sie im Wettkampf und neben der Anlaufbahn auftreten, macht das Duo endgültig zum Jackpot für die deutsche Leichtathletik. Wir können uns auf einen Wettkampf auf höchstem Niveau mit zwei DLV-Goldkandidaten freuen. Was wollen wir mehr?

Dass ein Doppelsieg kein Selbstläufer wird, muss gar nicht noch einmal herausgestellt werden. So professionell, wie der Olympiasieger und der Deutsche Rekordler sind, haben sie selbst mehrfach darauf hingewiesen. Genauso wie darauf, dass der Fokus von Beiden darauf liegt, an diesem Tag als Sieger vom Platz gehen zu wollen.

Jakub Vadlejch (Tschechische Republik) ist es am ehesten zuzutrauen, am erhofften deutschen Abend dazwischenzufunken. Ein Ausrutscher in Richtung oder sogar über die 90 Meter von Titelverteidiger Julius Yego oder London-Olympiasieger Keshorn Walcott (Trinidad & Tobago) wäre eine Überraschung. Beide haben die 90 Meter aber schon übertroffen. Andreas Hoffmann hat nicht die Stabilität wie Thomas Röhler und Johannes Vetter. Aber auch er kann eine Rakete abfeuern. An einem guten Tag geht es mindestens in den Endkampf.

Titelverteidiger: Julius Yego (Kenia; 92,72 m)
Jahresbester: Johannes Vetter (LG Offenburg; 94,44 m)
Deutsche Teilnehmer: Johannes Vetter (LG Offenburg; 94,44 m), Thomas Röhler (LC Jena; 93,90 m), Andreas Hofmann (MTG Mannheim; 88,79 m)

Zehnkampf

Neues Zeitalter

Ob WM oder Olympia. Gold im Zehnkampf bei einer solchen Meisterschaft ist in den vergangenen Jahren ganz fest mit dem Namen Ashton Eaton verbunden gewesen. Für viele überraschend früh hat der Weltrekordler seine Karriere zum Jahreswechsel für beendet erklärt, nach dem Motto: Aufhören, wenn es am schönsten ist. Der Kampf um den Titel des Königs der Athleten ist damit neu entbrannt.

Neues Feuer gefangen hat auch Rico Freimuth. Der WM-Dritte von 2015 hatte 2016 keinen Zehnkampf beenden können. In diesem Sommer zeigt er sich in der Form seines Lebens. Auf 8.663 Punkte hat er sich in Ratingen gesteigert. Diese Leistung lässt ihn zu Recht erneut von WM-Edelmetall träumen. Stärkste Konkurrenten sind der WM-Zweite Damian Warner (Kanada) und der Olympia-Zweite Kevin Mayer (Frankreich), der in der Halle einen neuen Europarekord aufgestellt, im Sommer aber noch keinen kompletten Zehnkampf absolviert hat. Mit einer Leistung auf den Punkt kann auch der Olympia-Vierte Kai Kazmirek in den Kampf um die Medaillen eingreifen. Für Mathias Brugger geht es bei seiner ersten WM darum, seine Vorleistung zu bestätigen.

Titelverteidiger: Ashton Eaton (USA; 9.045 Punkte)
Jahresbester: Rico Freimuth (SV Halle; 8.663 Punkte)
Deutsche Teilnehmer: Rico Freimuth (SV Halle; 8.663 Punkte), Kai Kazmirek (LG Rhein-Wied; 8.473 Punkte); Mathias Brugger (SSV Ulm 1846; 8.294 Punkte)

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