| Interview der Woche

Deborah Schöneborn: "Ich bin noch lange nicht satt"

Debütantin Deborah "Debbie" Schöneborn (LG Nord Berlin) hat am Sonntag mit starken 2:31:18 Stunden den Köln-Marathon gewonnen und um weniger als zwei Minuten die Qualifikations-Norm für die Olympischen Spiele 2020 in Tokio verpasst. Erst 2017 wechselte die ehemalige Moderne Fünfkämpferin zum Laufsport. Im Interview verrät die 25-Jährige, wie zufrieden sie mit ihrem ersten Lauf über die 42,195 Kilomter ist und ob sie die Olympia-Norm erneut angreifen will.
Jane Sichting

Deborah Schöneborn, herzlichen Glückwunsch zum Sieg beim Köln-Marathon. Viel hat zur Norm für die Olympischen Spiele 2020 in Tokio nicht gefehlt – hatten Sie die Zeit vorher schon im Hinterkopf?

Deborah Schöneborn:

Ganz am Anfang hatte ich die Norm schon im Hinterkopf, habe mir dann aber gesagt, dass ich mich damit nicht unter Druck setzen will. Das war mein erstes Mal und ich wollte aus dem Lauf so rausgehen, dass ich danach weiterhin Lust habe, Marathon zu laufen. Mein realistisches Ziel war eine Zeit zwischen 2:32 und 2:34 Stunden. So bin ich sicher gegangen, dass ich am Ende nicht enttäuscht bin. Schließlich wären auch 2:34 Stunden für ein Debüt völlig zufriedenstellend gewesen.
 
Als Unterstützung hatten Sie einen Tempomacher an Ihrer Seite, allerdings ist der schon sehr früh aus dem Rennen ausgestiegen. Was war da los?

Deborah Schöneborn:

Darüber war ich wirklich etwas überrascht. Wir sind am Anfang ziemlich schnell angegangen und waren auf den ersten zehn Kilometern 1:10 Minute zu schnell. Vorher hatte ich noch mit meinem Trainer [Detlef Müller] um die Sekunde genau diskutiert, welches Tempo wir gehen. Darum dachte ich nur: ruhig bleiben! Zwar habe ich mich gut gefühlt, wusste aber nicht, was hinten raus passiert. Ich war etwas vorsichtig. Dass der Tempomacher schon nach dem Halbmarathon raus ist, war sehr überraschend für mich. Er hat die ganze Zeit nichts gesagt. Ich dachte, er bindet sich nur den Schuh. Aber plötzlich war er weg.
 
Wie sind Sie damit umgegangen? Hatten Sie danach jemanden, an dem Sie sich orientieren konnten?

Deborah Schöneborn:

Ich hatte Glück, dass ich in einer Gruppe war und die Jungs gesagt haben, sie machen mit. Einer der Läufer war besonders engagiert, er wollte für mich so lange Tempo machen, wie er kann und sich für mich aufopfern. Bei Kilometer 28 war ich ihm dann aber zu schnell. Von da an war ich auf mich allein gestellt, habe mich aber von der Kraft und Erschöpfung her noch gut gefühlt.
 
Bis dann die Wadenkrämpfe kamen...

Deborah Schöneborn:

Ja, ab Kilometer 37 hat es damit angefangen. Und am Ende hatte ich bei jedem Schritt, den ich normal gesetzt habe, Krämpfe in den Waden. Ich habe es dann mit angezogenen Zehen versucht, und bin auch ein bisschen geeiert. Die letzten zwei Kilometer habe ich nur gehofft, nicht ganz fest zu werden, weil ich so gut in der Zeit lag und noch Kraft hatte.
 
Im Ziel wurden Sie nicht nur von den jubelnden Zuschauern empfangen, sondern auch von Konstanze Klosterhalfen, die Ihnen direkt mit einer Umarmung gratuliert hat. Wussten Sie davon?

Deborah Schöneborn:

Nein, das war eine große Überraschung und vor allem eine sehr große Ehre für mich. Obwohl wir uns bei Wettkämpfen schon mal gesehen haben, hatten wir nie wirklich Kontakt miteinander. Sie ist eine großartige Athletin.
 
Wie hat es sich für Sie angefühlt, als deutsche Läuferin in Köln so im Fokus zu stehen? Sie hätten ihr Debüt auch bei einem anderen Marathon geben können, etwa in Berlin, wo das Feld von internationalen Top-Athleten angeführt wird.

Deborah Schöneborn:

Auch das war eine Ehre für mich. Es war beeindruckend, hinter dem Führungsfahrzeug mit der Zeittafel zu laufen und in jeder Hinsicht unterstützt zu werden. Auch die Stimmung an der Strecke war super. Es gab kaum mal 50 Meter, auf denen keine Zuschauer waren. Und überall war es laut.
 
Wie haben Sie sich auf Ihren ersten Marathon vorbereitet? Wann haben Sie mit der konkreten Vorbereitung begonnen?

Deborah Schöneborn:

Ich habe in diesem Jahr viele Wettkämpfe mitgenommen, einfach weil ich alles gern mache. Da muss man mich immer ein bisschen bremsen. Dadurch, dass ich noch nicht so lange in der Leichtathletik dabei bin, bin ich noch lange nicht satt und will nichts verpassen. Mit der spezifischen Vorbereitung  habe ich nach den 5.000 Metern bei den Deutschen Meisterschaften im August.
 
Wie groß waren denn die Umfänge, die Sie im Training absolviert haben?

Deborah Schöneborn:

Weil es mein erster Marathon war, habe ich längst nicht so große Umfänge gemacht wie andere Marathonis. Auch um den Gelenkverschleiß gering zu halten. Ich habe viel Alternativtraining gemacht, zusammen war das eine gute Dosis. Ich bin noch nie zuvor eine so lange Distanz wie den Marathon gelaufen, selbst im Training war die längste Einheit nur maximal 35 Kilometer.   
 
Obwohl Sie erst 2017 vom Modernen Fünfkampf zum Laufsport gekommen sind, haben Sie bei der DM in Berlin als Vierte über die 5.000 Metern überzeugt und lagen bei Ihrem Marathon-Debüt zwischenzeitlich auf Kurs zur Olympia-Norm. Auf welchen Strecken werden wir Sie in Zukunft sehen?

Deborah Schöneborn:

Mir macht alles Spaß. Aber ich liebäugle schon mit der Langstrecke. Ich weiß, dass ich noch an der Geschwindigkeit arbeiten muss. Dafür sind zwischendurch die kürzeren Distanzen gut. Ich mag es, viele Wettkämpfe zu machen. Auch im Winter ist es ein schöner Trainingsreiz, Crossläufe zu machen.
 
Haben Sie schon Ihren nächsten Marathon im Blick? Wollen Sie die Norm noch einmal angreifen?

Deborah Schöneborn:

Ich habe diese Woche ein Gespräch mit meinem Trainer, bei dem wir die nächste Saison planen. Wir wollten erst einmal den ersten Marathon abwarten und schauen, ob es Spaß macht und wie es läuft. Nachdem es jetzt so gut gelaufen ist, kann ich mir sehr gut vorstellen, es erneut zu versuchen. Ich würde mich sonst ärgern, wenn ich es im nächsten Frühjahr nicht nochmal probieren würde. Zumal ich dann auch mit dem Studium etwas kürzer treten werde und Zeit für ein ordentliches Trainingslager und eine professionelle Vorbereitung habe.
 
Sie kommen aus einer sehr sportlichen Familie, Ihre große Schwester Lena Schöneborn ist im Modernen Fünfkampf nicht nur die Olympiasiegerin von 2008, sondern auch die erfolgreichste Athletin, die es in der Geschichte dieser Sportart gibt. Trainieren Sie manchmal zusammen? 

Deborah Schöneborn:

Bei den Deutschen Meisterschaften haben wir meinen Auftakt zusammen gemacht. Für sie war es ein Tempo-Dauerlauf, für mich ein Auftakt. Wir treffen uns hin und wieder mal. Früher gab es immer einen gemeinsamen Sonntagsdauerlauf und danach haben wir gebruncht. Jetzt treffen wir uns und jeder läuft sein eigenes Programm. Und danach kochen wir zusammen.

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